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Die Insel der Mandarine

Die Insel der Mandarine

Titel: Die Insel der Mandarine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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wohin sie gehen, nicht folgen kannst«, redete er laut auf
mich ein. Dann packte er mich am Arm und hielt mich fest. »Man würde dich
umbringen, und was hätte das für einen Sinn? Wir können nichts weiter tun, als
bis zum Morgen zu warten, wenn die Tore der Verbotenen Stadt geöffnet werden .« Er hatte natürlich recht . Ich
hatte die Insignien erkannt. Das waren die Männer der Schwarzen Wache gewesen,
und ihre Kutsche würde bald durch den Tunnel unter dem Festungsgraben zu den
Quartieren rollen, in denen die Mandarine Zuflucht gesucht hatten, und jeder
Versuch, sich dort einzuschleichen, würde einem Selbstmord gleichkommen. »Aber,
Meister... Meister...«
    Er drückte meine Schulter.
Er hatte dasselbe gesehen wie ich, als der Wind die Vorhänge zur Seite geweht
und der Mond in die Kutsche geschienen hatte. Vier Menschen hatten darin
gesessen. Die drei, die lachend mit ihrer Beute davongefahren waren, waren
Wildschwein, Hyäne und Schakal. Der vierte Passagier war Yu Lan.
    »Komm. Vielleicht war ihr
Vater hier, und wenn er hier ist, braucht er möglicherweise Hilfe«, sagte
Meister Li.
    Also machten wir uns auf
die Suche nach Yen Shih oder seiner Leiche, aber der Puppenspieler war nicht im
Haus. Statt dessen fanden wir einen versiegelten
Brief, der auf einem Tisch in der kleinen Eingangshalle lag, und er war nicht
an Yen Shih, sondern an Meister Li adressiert, der ihn öffnete. Er war in
feiner Gelehrtenkurzschrift verfaßt und für mich nicht zu entziffern, doch
Meister Li las ihn laut vor.
    »Wertester Li-tzu, Höchster
unter den Gelehrten, unangefochten unter den Wahrheitssuchenden, seid gegrüßt.
Dieser Unwürdige bittet um die Ehre Eures Besuches, um die Zukunft der jungen
Dame zu bereden, die versucht hat, ihre Stellung zu verbessern, indem sie sich
unserem Haushalt anschloß. Sollten Eurem jungen Assistenten und dem begnadeten
Vater der Dame daran gelegen sein, sich Euch anzuschließen, so sind sie mehr
als willkommen, und so sehr sehne ich mich danach, mich in Eurem glorreichen
Licht zu sonnen, daß jede Stunde der Dunkelheit höchste Qualen bedeutet.«
    Der alte Mann blickte auf.
»Es ist von Li der Katze unterzeichnet«, sagte er ruhig. »Ochse, mach dir keine
Sorgen! Eunuchen lieben es, mit ausgeklügelten Drohungen zu spielen, und Yan Lu
ist nicht nur eine Schamanin, sie ist eine der besten, denen ich je begegnet
bin. Sie ist nicht wehrlos. Jetzt laß uns in der Scheune nachsehen, ob ihr
Vater dort ist, und wenn wir ihn nicht finden, treiben wir bei Wong noch ein
paar Männer auf, die die Stadt nach ihm durchsuchen .« Die Scheune lag still und verlassen da. Der Mond schien sehr hell, und ich
vermutete, daß er vorher von einer Sandwolke verdeckt gewesen sein mußte. Der
Schatten eines Zweiges bewegte sich über die schimmernde Leinwand des mächtigen
Puppenspielerwagens, daß man glaubte, ein Mädchen, würde den Boden wischen. Hin
und her, hin und her.
    »Trabendes Pferd Lampe«,
sagte Meister Li, der sehr still dastand.
    Dann lief er zum Wagen und
sprang hinauf. Ich folgte ihm, um nach Yen Shih zu sehen, aber Meister Li
suchte etwas anderes. Er war auf die Balustrade über die Bühne geklettert und
untersuchte das Gewirr von Drähten, Hebeln und Rädern. Unter ihm baumelten die
Puppen und schaukelten sanft hin und her, wenn der Wind sie erfaßte. Ich
erkannte, daß die Szenerie für Bauer Hong noch aufgebaut war. Plötzlich drehte
Meister Li an einem Rad, worauf sich ein Pendel in Bewegung setzte, und ich
fuhr herum, als eine Tür in der Kulisse aufflog. Heraus kamen zwei Halunken mit
einem Schwein, gefolgt von Bauer Hong, gefolgt von der Gattin des Gouverneurs,
gefolgt von den Benutzern eines Schlafzimmers, die keine Kleider anhatten und
Augen machten wie Untertassen. Meister Li setzte ein zweites Pendel in
Schwingbewegung, worauf die Gouverneurmarionette zum Leben erwachte, sich zu
einem Schlüsselloch hinunterbückte, entsetzt zurückwich und den Unterarm vor
die Augen schlug, während die aberwitzige Prozession hinter ihrem Rücken in das
nächste Schlafzimmer und wieder hinaus stürmte. Daß sich die Puppen zum Heulen
des Windes bewegten, statt zu fröhlichem Gelächter, war unheimlich. Nachdem der
Weise heruntergeklettert war, bewegten sie sich noch eine Weile weiter, dann
baumelten sie wieder schlaff an ihren Drähten und schaukelten sachte hin und
her.
    Meister Li holte tief Luft.
»Tja, Ochse, du hast immer gewußt, daß es ein furchtbares Ende mit dir nehmen
wird, wenn du weiter mein

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