Die Insel der Orchideen
gesamten Rücklagen aufgebraucht haben – und mehr. Dass er selbst Geld verloren hatte, interessierte Henry dabei nur mäßig; er hatte seine Einlage damals, nach Friedrichs glücklicher Flucht von den Piraten, im Grunde als Geschenk angesehen. Ein Geschenk, das ihn nie gereut hatte, und eines, das er sich schon damals leisten konnte, hatte doch das Geschäft mit dem Opium, das ihm von Kapitän Miller regelrecht aufgezwungen worden war, ihm das nötige Kapital für lukrative Transaktionen beschert.
Er widerstand dem Drang, aufzustehen und im Zimmer auf und ab zu gehen. »Du bist bankrott«, stellte er sachlich fest. Zu seiner Überraschung schüttelte Friedrich den Kopf. »Nicht? Wie ist das möglich?«
»Ich habe Kredit für eine neue Ladung bekommen. Übrigens nicht zum ersten Mal.«
»Welche Bank geht derartige Risiken ein?«
»Keine Bank«, sagte Friedrich. Seine Apathie wich urplötzlich einer Streitlust, die Henry an seinem Freund nie zuvor erlebt hatte. Wahrscheinlich versuchte er, seinen peinlichen Tränenausbruch vergessen zu machen. »Es ist ein Privatdarlehen. Ob du es glaubst oder nicht, es gibt Männer, die mir viel zutrauen«, sagte er heftig. »Männer, die mich unterstützen, die mir Ratschläge geben und auf deren Handelsagenten und Kompradors ich zurückgreifen kann.«
»Habe ich jemals deine Fähigkeiten in Abrede gestellt?« Henry fühlte sich durch den giftigen Tonfall ernsthaft verletzt, aber er riss sich zusammen. Friedrich stand auch so schon unter enormem Druck. Er beugte sich vor. »Du weißt, dass du dich jederzeit an mich wenden kannst. Unsere Meinungsverschiedenheiten damals in Hongkong haben unsere Freundschaft nicht in Frage gestellt.« Er zögerte. »Oder doch?«
Friedrich schüttelte den Kopf. Als er nichts erwiderte, fuhr Henry fort: »Ich kann verstehen, dass du deine Probleme lieber im Stillen lösen willst, andererseits bin ich ein wenig enttäuscht, dass du dich lieber an einen Fremden wendest.« Er lehnte sich zurück und ließ seine Worte wirken.
Friedrich knetete seine Finger. »Ich habe mich geschämt«, sagte er. »Alles, was ich anfasse, zerrinnt mir unter den Händen, während du langsam, aber sicher steinreich wirst.«
»Ein Grund mehr, mich in die Pflicht zu nehmen.«
Friedrich versuchte ein Lächeln. »Das ist nicht so einfach.«
»Wahrscheinlich hast du recht. Weiß deine Frau von eurer finanziellen Misere?«
»Nein. Ich konnte ihr mein Versagen nicht eingestehen.«
»Du hast nicht versagt, du hattest Pech. Sehr viel Pech. Sie hätte dich unterstützt, das weißt du, oder?«
»Ja, das hätte sie wohl.«
»Deine Frau hat ein Recht zu erfahren, was in der Firma vor sich geht.«
Friedrich hob den Kopf. »Seit wann werden Frauen von geschäftlichen Dingen unterrichtet? Abgesehen davon, dass es Johanna nicht interessiert, ist ihr Platz im Haus. An Leahs Beispiel sieht man ja, wohin es führt, wenn sich Frauen nicht um Frauendinge kümmern.« Friedrich holte tief Luft. »Ich möchte auch in Zukunft nicht, dass Johanna etwas über diesen … diesen Engpass erfährt.«
»Engpass?«
»Jawohl! Du brauchst mich gar nicht so herablassend zu behandeln. Wer hat denn bei den Piraten gelitten, beinahe ein Jahr in Todesangst verbracht, während du dir den Magen mit Leckereien vollgeschlagen und dich mit chinesischen Huren vergnügt hast?«
Henry ballte die Fäuste. Friedrich schien nicht bei Sinnen. »Mäßige dich«, zischte er. »Du weißt nicht, was du sagst.«
»Um Gottes willen.« Friedrich starrte Henry mit großen Augen an. »Entschuldige«, flüsterte er.
Friedrichs unbeherrschtes Gebaren erinnerte Henry erneut an ein Kind. Langsam kamen ihm Zweifel, ob das geschäftliche Scheitern der einzige Grund für die wechselnden Stimmungen seines Freundes war. Es kostete ihn einiges an Kraft, seinen aufkeimenden Widerwillen zu unterdrücken, stattdessen kam er direkt zur Sache. »Ich werde deine Schulden übernehmen«, sagte er in einem Ton, der keinen Widerspruch zuließ.
»Das würdest du tun?«, fragte Friedrich kleinlaut. Seine Streitlust hatte sich in Luft aufgelöst. »Es ist eine erhebliche Summe. Es könnte lange dauern, bis ich sie dir zurückzahlen kann.«
»Darüber bin ich mir im Klaren. Deshalb biete ich dir auch keinen Kredit an.«
»Sondern?«, fragte Friedrich, misstrauisch geworden. Er war Geschäftsmann genug zu erkennen, worauf der Handel hinauslief.
»Sondern als Gegenwert für zusätzliche dreißig Prozent Anteile an
Von Trebow
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