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Die Insel der Orchideen

Die Insel der Orchideen

Titel: Die Insel der Orchideen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: white
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bevor er antwortete, reichte er ihr eine Kalebasse mit frischem Wasser. Leah trank in langen, tiefen Zügen.
    »Sie waren sehr krank«, sagte er, sobald sie das Gefäß absetzte. Er zögerte merklich. »Wenn mich der Heiler des Dorfes nicht beruhigt hätte, wäre ich durchgedreht. Ich habe zugelassen, dass man Ihnen seltsame Medizin einflößte, weil ich solche Angst um Sie hatte, Leah.«
    Sie lehnte den Kopf zurück auf die Matte, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Leah?, dachte sie, nicht Miss Namenlos? Die Krankheit hatte offenbar eine weitere Barriere zwischen ihnen niedergerissen.
    »Wie lange liege ich schon hier?«, fragte sie.
    »Drei Tage. Die längsten Tage meines Lebens.«
    »Wissen Sie, was es war?«
    Er schüttelte den Kopf. »Der Heiler sagt, diese Krankheit hätten alle hier hin und wieder. Er hat Ihnen übrigens nicht nur Medizin gegeben, sondern auch eine ziemlich interessante Zeremonie abgehalten.« Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. »Sie hätten bestimmt zwei Dutzend Zeichnungen davon angefertigt. Ich werde dafür sorgen, dass beim nächsten Mal ich das Bett hüte.«
    Spontan nahm sie seine Hand und drückte sie. »Ich danke Ihnen, Bertrand.«
    Das freudige Aufleuchten seiner Augen zeigte Leah, dass er die Nennung seines Vornamens sehr wohl bemerkte. Sie entzog ihm die Hand wieder. Keine Dummheiten, mahnte sie sich. Eine enorme Mattigkeit überwältigte sie. Der Kampf gegen das Fieber hatte sie alle Kraft gekostet, doch sie riss sich zusammen. Schon die ganze Zeit lag etwas in seinem Blick, das sie beim besten Willen nicht deuten konnte.
    »Sie wollen noch mehr bereden?«, fragte sie.
    Er wand sich. »Ja«, sagte er. »Im Fieberdelirium haben Sie viel gesprochen.«
    Leah versteifte sich. »Worum ging es?«, fragte sie gepresst.
    »Um einen Überfall. Piraten?«
    Leah nickte.
    »Sie haben jemanden getötet?«
    Wieder nickte sie. »Ich wünschte, es wäre nie geschehen, aber ich musste es tun.« Sie zögerte. »Verachten Sie mich nicht dafür.«
    »Wir bewegen uns in einer gefährlichen Welt«, sagte er nur. Leah ahnte, dass ihn etwas ganz anderes bedrückte. »Ich habe noch mehr gesagt, oder?«, flüsterte sie. »Was?«
    »Sie haben von einem Mädchen gesprochen.« Es fiel ihm sichtlich schwer, es auszusprechen. »Und von einem Mann.«
    Lange sahen sie sich an. »Das Kind ist tot«, sagte Leah schließlich. »Der Mann nicht.«
    Kurz darauf ließ er sie allein. Sie schloss die Augen, aber der Schlaf wollte sich nicht einstellen. Ihre Gedanken kreisten um Burdett. Das Schicksal hatte sie vor sechs Monaten zusammengeführt, und seitdem hatten sie beinahe jeden Tag gemeinsam verbracht. Sie hatten drei Monate auf Java gelebt, auf Flores vergeblich versucht, eine Expedition ins Landesinnere zu arrangieren, hatten miteinander gelacht, Pläne geschmiedet, Pflanzen und Tiere gesammelt und an abendlichen Lagerfeuern ihre Funde diskutiert. Er trug es mit Humor, dass er ihr weder fachlich noch im Feld das Wasser reichen konnte, und nannte sie seine Lehrerin. Sie verstanden sich so ausgezeichnet, dass es Leah zunehmend schwerer fiel, in ihm nur ihren Arbeitgeber zu sehen. Um Distanz aufzubauen, beschwor sie immer wieder ihre Zeit mit Boon Lee herauf, die glücklichen Stunden ebenso wie die einsame Zeit danach. Die vergangenen Jahre hatten dem Schmerz über den Verlust von Boon Lee und den Tod ihrer gemeinsamen Tochter die Schärfe genommen, doch obwohl sie nicht mehr täglich an ihren Geliebten dachte, vermisste sie ihn.
    Manchmal, in schwachen Momenten, hatte sich Leah versucht gefühlt, Burdett,
Bertrand,
ihr Herz auszuschütten, doch sie war immer davor zurückgeschreckt, hätte es doch bedeutet, eine Freundschaft aufs Spiel zu setzen, an der ihr sehr viel lag.
    Er hatte nichts von den Gespenstern gewusst, die sie Nacht für Nacht heimsuchten. Bisher.
     
    Leah erholte sich schnell. Schon drei Tage später traten sie und Bertrand gemeinsam mit den Trägern den Rückweg zum Meer an, wo in einer Bucht eine kleine Prau auf sie wartete. Die meiste Zeit marschierten sie schweigend. Bertrand hatte sichtlich an den neuen Erkenntnissen über seine Begleiterin – nein, seine Angestellte – zu kauen und war nun seinerseits um Abstand bemüht. Obwohl es Leah weh tat, war sie doch erleichtert, dass er endlich um den Mann in ihrem Leben wusste. Schon seit geraumer Zeit hatte sie gespürt, dass Bertrands Gefühle für sie über reine Freundschaft hinausgingen, doch für Bertrand Burdett, Baron of Talbury,

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