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Die Insel der Orchideen

Die Insel der Orchideen

Titel: Die Insel der Orchideen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: white
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signalisierten dessen Turban und geschmackvoll bestickte Weste einen akzeptablen Stand. Trotzdem, eine rechte Ordnung schien in dieser Stadt nicht zu herrschen. Sie dachte an Henrys Gespräch mit dem zerlumpten Fuhrmann am Vortag. Alles durchmischte sich, jeder sprach und scherzte mit jedem. Nun, mochte es auch Sitte in Singapur sein, sie würde sich nicht dazu herablassen. Das konnte Henry nicht von ihr verlangen.
    Die Kutsche hielt vor einem eher bescheidenen Haus mit Strohdach, das sich hinter einer Hecke aus blühenden Sträuchern verbarg. Henry sprang auf und half ihr galant hinaus. Neugierig sah sie sich um. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite erhob sich eine schöne Villa hinter einer ähnlichen Hecke. Sie wollte schon darauf zugehen, als Henry auf das kleine Haus zeigte.
    Amelias Verblüffung ließ sie wie angewurzelt stehen bleiben. »Dein Freund wohnt
hier?
«
    »Aber ja. Johanna, also, Frau von Trebow, hält es für ausreichend für ihren übersichtlichen Haushalt. Ich mag es auch. Du wirst sehen, es hat viel Charme.«
    In diesem Moment stürmten drei europäische Jungen aus dem Gartentor. Ehe Henry sichs versah, hatten sie ihn umringt und schwatzten lautstark auf ihn ein. Lachend strich er ihnen über die Köpfe. Eine Chinesin erschien. Mit ein paar scharfen, in einer abstoßenden Sprache geäußerten Worten rief sie die Kinder zur Ordnung, die umgehend in den Garten zurückliefen. Ein breites Grinsen, das ihre ohnehin hässlichen Augen in schmale Schlitze verwandelte, erschien auf dem Gesicht der Frau.
    »Master Farnell! Herzlich willkommen.«
    Amelia war fassungslos, als Henry die Hände der Frau ergriff und überschwenglich drückte. »Und ich freue mich, dich zu sehen.« Die Hände der Chinesin noch immer umfasst, wandte er sich Amelia zu. »Dies, meine Liebe, ist Yip Ping, die beste Köchin der ganzen Stadt. Ich werde alles tun, sie Johanna abspenstig zu machen.«
    Sobald sie Amelias ansichtig wurde, entwand sich die Frau mit dem unmöglichen Namen Henrys Griff und verbeugte sich tief. »Auch Ihnen ein herzliches Willkommen in Singapur, Mrs Farnell. Seit uns die Nachricht Ihres Mannes erreicht hat, ist das ganze Haus in Aufruhr vor Freude. Bitte folgen Sie mir.«
    Amelia wusste nicht, wie ihr geschah. Das Verhalten dieser Dienerin war absolut unmöglich, doch Henry strahlte übers ganze Gesicht. Wie konnte er sich nur so gemeinmachen? Leider bemerkte er ihren Unmut nicht, sondern hakte sie unter und schob sie mit sanftem Druck durch das Tor in den von einer mächtigen Baumkrone beschatteten Garten.
    Vier Erwachsene bildeten das Begrüßungskomitee: eine zarte, hagere Dame in den späten Vierzigern, in dunkle Trauerfarben gehüllt und das Gesicht von Sorgenfalten durchzogen. Es musste sich um die Witwe Alwine Uhldorff handeln. Neben ihr stand eine unscheinbar gekleidete, hochgewachsene Frau von etwa fünfundzwanzig Jahren. Das aschblonde Haar hatte sie zu einem einfachen Knoten geschlungen und auf einen Hut ganz verzichtet, was ihren leicht gebräunten Teint erklärte. Amelia vermutete in ihr die Gouvernante des Von-Trebow-Jungen und schenkte ihr keine weitere Beachtung, sondern richtete ihre Aufmerksamkeit auf die verbliebenen Personen, bei denen es sich zweifelsohne um das Ehepaar von Trebow handelte. Frau von Trebow erwies sich als überaus korpulente Dame in einem Kleid, das der Mode der vorletzten Saison entsprach, es aber beinahe mit der Eleganz ihrer eigenen Robe aufnehmen konnte. Wie bei einer zu plötzlichem Wohlstand gekommenen Bürgerlichen zu erwarten, wirkte sie ein wenig vulgär, dafür war der Mann neben ihr jeder Zoll ein Aristokrat; schlank und hochgewachsen, die markanten Gesichtszüge von einem elegant gezwirbelten Schnurrbart unterstrichen, strahlte er die lässige Souveränität seiner Klasse aus.
    Zu Amelias Überraschung ließen die von Trebows der Gouvernante den Vortritt. Mit einem einnehmenden Lächeln kam die Frau auf sie zu und drückte ihr die Hände. Nur langsam dämmerte es Amelia: Die unscheinbare Frau war die Hausherrin, das vornehme Paar bewohnte die schöne Villa gegenüber und war mitnichten von Stand, sondern gehörte zu jener Klasse von Aufsteigern, mit denen sie sich nun für den Rest ihres Lebens abgeben musste. In ihrem Kopf ging alles durcheinander. Hilfesuchend wandte sie sich an Henry, der gerade von Johanna von Trebow darüber unterrichtet wurde, dass ihr Mann Friedrich seit ein paar Tagen auf Tigerjagd und nicht erreichbar sei. Amelia stand wie vom

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