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Die Insel der Orchideen

Die Insel der Orchideen

Titel: Die Insel der Orchideen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: white
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Donner gerührt.
    In den Augen ihres Mannes lag eine ungekannte Zärtlichkeit.
    Eine Zärtlichkeit, die nicht ihr galt.
    Sondern Johanna von Trebow.
    * * *
    Verbissen umklammerte Friedrich sein Gewehr, während er sich mühte, mit den von Bowie für die Jagdgesellschaft ausgeliehenen indischen Strafgefangenen Schritt zu halten. Der Schweiß rann ihm in Bächen übers Gesicht und brannte in seinen Augen. Dass ihm die Tigerjagd keine Freude bereiten würde, hatte er geahnt, doch sie stellte sich als noch schlimmer heraus als erwartet. Wieder hob einer der Inder den Arm, und sie erstarrten in ihrer Bewegung. Friedrich lauschte angespannt, versuchte das dunkle Grün zu durchdringen. Nichts. Oder doch? War da nicht ein Schatten? Ein orange-schwarz gestreifter Schatten? Er schrie auf.
    »Ich fasse es nicht.« Bowie fuhr herum und bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick. »Wir sind hier, um das Biest zu finden, nicht, es zu verscheuchen.«
    »Es tut mir leid.« Ärger wallte in Friedrich auf. »Sie haben schließlich darauf bestanden, dass ich mitkomme«, giftete er. »Ich hätte eine Segelpartie vorgezogen.«
    »Schwächling.« Bowie wandte sich ab und brach durch einen dichten Vorhang aus Lianen und großen Blättern. Die anderen folgten ihm zu einem schmalen Wasserlauf. Mehrere Abdrücke bestätigten ihre Vermutung: Ein Tiger trieb sich hier herum.
    Im Laufe des Tages stießen sie noch mehrmals auf frische Spuren, doch die Raubkatze selbst bekamen sie nicht zu Gesicht.
    Am späten Nachmittag folgten sie einem nur wenige Armlängen breiten Bach stromabwärts und stießen kurz vor der Küste auf ein Fischerdorf. Die unbeholfen gezimmerten Pfahlhäuser standen im Schlick der Flussmündung, einige waren sogar in den schmalen Mangrovengürtel gebaut, der das Dorf vom offenen Meer abschirmte. Die Erinnerung an seine Zeit bei den Piraten traf Friedrich wie ein Keulenschlag. Wie oft hatten sie die Kriegskanus in die Mangroven rudern müssen, hatten stundenlang, tagelang unter dem dichten Blätterdach verbracht, während die Gezeiten sie zwischen den an Spinnenbeine erinnernden Stelzwurzeln anhoben und absenkten! Noch immer hatte er den modrigen Gestank rottender Pflanzen und Tiere in der Nase, sah die Heerscharen von Krabben bei Ebbe über den Schlick rennen und spürte das Jucken der Myriaden Stechmücken, die in den Wasserwäldern ihr Paradies gefunden hatten. Seit seiner Rettung und Rückkehr nach Singapur hatte Friedrich die ungezähmte Natur ebenso gemieden wie die Dörfer der Malaien. Wenn es nach ihm ginge, verbrächte er den Rest seines Lebens in den sicheren Straßen der Stadt, in der beruhigenden Gegenwart zivilisierter Europäer.
    Bowie führte seine Gesellschaft aus dem Wald hinaus und auf die gerodete Fläche vor dem Dorf. Ein schriller Kinderschrei bezeugte, dass sie entdeckt worden waren, und bald waren sie von aufgeregt umherspringenden Jungen und einigen wenigen Mädchen umringt. Mit gewichtigen Schritten kamen ihnen der Kepala Desa, der Dorfvorsteher, und sein Gefolge entgegen. Wenig später bezogen Friedrich und Bowie sein Haus; die Familienmitglieder verteilten sich auf die Hütten ihrer Verwandten. Frauen brachten eine einfache Mahlzeit aus Sago und gebratenem Fisch, statt Tellern benutzten sie Bananenblätter. Ein Halbwüchsiger schleppte ein Gefäß mit Wasser heran und entzündete einige Kokosöllampen. Als sie gegessen hatten, gesellte sich der Kepala Desa zu ihnen, in der Hand einen Krug Palmwein. In Ermangelung von Stühlen saßen sie mit gekreuzten Beinen auf dem leicht schwingenden Boden der kleinen Plattform vor dem Haus. Friedrich konnte sich nicht enthalten, zu grinsen, als er bemerkte, wie Bowie in der ungewohnten Position litt. Er selbst hatte keine Probleme. Irgendetwas Gutes musste seine Gefangenschaft ja mit sich gebracht haben.
    Gesang erklang, leises Lachen wehte durch die samtige Nacht. Sobald der Krug Palmwein geleert war, erschien wie durch Zauberei ein neuer und dann noch einer. Friedrich betrank sich. Schon lange hatte er sich aus dem ohnehin belanglosen Gespräch herausgehalten. Er legte sich zurück, die Arme unterm Kopf verschränkt, bewunderte die atemberaubenden Kapriolen der Fledermäuse und lauschte den sanften Stimmen der Malaien und dem Plätschern der Fische im Wasser unter ihnen. Zufriedenheit überkam ihn. Vielleicht hatten die Malaien doch das bessere Los gezogen. Sie waren wie die Vögel, die nicht säten. Sie fischten ein wenig, sie zogen ein paar Nutzpflanzen, und

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