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Die Insel der Orchideen

Die Insel der Orchideen

Titel: Die Insel der Orchideen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: white
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der Krieg in Amerika macht alle vorsichtig.«
    »Blödsinn. Die Amerikaner, die Union wie die Konföderierten, werden bald um Rohstoffe und Produktionswaren betteln. Nein, mein Lieber, die Zeiten sind nicht schwierig, wenn man die Augen und Ohren offenhält und im richtigen Moment die richtigen Waren liefern kann. Leider scheinen Sie blind und taub zu sein.«
    »Warum wollen Sie meine Existenz zerstören? Tragen Sie mir nach, dass ich Johanna geheiratet habe?«
    Bowie lachte trocken auf. »Das ist so ziemlich das Einzige, das ich Ihnen nicht nachtrage. Der Mann, der diese Frau verschmäht hätte, wäre ein Idiot.« Seine Züge verhärteten sich. »Schon als ich um sie geworben habe, wusste ich von ihren Gefühlen für Sie. Ich war davon ausgegangen, Johanna hätte ihr Herz an einen würdigen Mann verschenkt, doch dann sah ich Sie. Selten war ich so enttäuscht. Wie konnte sie einem rückgratlosen Weichling den Vorzug geben? Liebe macht wohl wirklich blind.«
    Friedrich sprang auf. »Ich brauche mich von Ihnen nicht beleidigen zu lassen. Ich gehe!«
    »Ach ja? Wohin denn? Im Wald lauern die Tiger. Setzen Sie sich gefälligst wieder.«
    Friedrich gehorchte. Bowie hatte ihn in der Hand, und er würde keine Ruhe geben, bis sich Friedrich im Schlamm vor ihm wand.
    »Sie sind Johannas nicht würdig«, fuhr Bowie fort. »Sie haben die beste Frau der Insel geheiratet, und was tun Sie? Treiben sich in Hurenhäusern herum. Woher ich das weiß? Die Spatzen pfeifen es von den Dächern.« Er beugte sich so plötzlich vor, dass Friedrich zurückzuckte. »Meine Güte, ich beiße Sie schon nicht«, sagte Bowie verächtlich und trieb damit einen weiteren Dorn in Friedrichs Selbstwertgefühl. »Ich bin nicht mehr bereit, Ihre Schulden zu stunden, aber ich bin kein Unmensch. Schreiben Sie Farnell. Vielleicht hilft er Ihnen ein weiteres Mal aus der Patsche, obwohl ich es mir kaum vorstellen kann. Sie strapazieren seine Freundschaft enorm.«
    »Und wenn er nicht einspringt?«
    »Dann gehören Ihre Anteile mir.«
    »Aber wovon soll ich leben? Johanna, das Kind?«
    »Gehen Sie zurück nach Pommern. Vielleicht machen Sie als Landjunker eine bessere Figur.«
    »Johanna wird nicht zurückgehen wollen.«
    Bowies Blick traf Friedrich ins Mark. Sein Mund wurde trocken. Mit einem Mal verstand er. »Ist es das, was Sie wollen?«, krächzte er. »Johanna? Sie soll sich von mir abwenden?«
    Bowie zuckte die Achseln. »Es liegt bei Ihnen.«
    * * *
    Etwa eine Stunde nach Sonnenaufgang erreichten Leah, Bertrand und die Träger ihrer Expedition eine brandgerodete Hügelkuppe im Norden der riesigen Insel Borneo. Seit dem Aufbruch vom letzten Lager hatte dichter Wald sie umfangen, doch jetzt bot sich ihnen endlich ein unverstellter Blick auf die schroffen, an eine steinerne Krone erinnernden Bergspitzen des Gunung Kinabalu.
    Leah bekam beinahe Angst vor dem eigenen Mut. Hugh Low, Botaniker und Polizeichef der britischen Kronkolonie Labuan vor der Küste Britisch-Borneos, hatte sie bei einem gemeinsamen Dinner vor den enormen Strapazen des neuntägigen Aufstiegs gewarnt, doch Leah war seinen Ausführungen skeptisch begegnet. Nun, angesichts der steilen Granitspitzen, die in schwindelnder Höhe aus dem üppig wuchernden Grün in den Himmel stachen, bekam sie eher den Eindruck, dass Low seine Abenteuer noch verharmlost hatte. Der Berg war steil und hoch, der Dschungel beinahe undurchdringlich.
    »Das sieht nach einem harten Stück Arbeit aus«, sagte sie.
    Bertrand nickte. »Wir versuchen es trotzdem, oder?«
    »Selbstverständlich.«
    »Ich hätte keine andere Antwort gelten lassen. Wie sieht es aus, inspiriert Sie der Berg zu einer Zeichnung?«
    »Sie sind mein Arbeitgeber. Wollen Sie, dass ich ihn zeichne?«
    Statt einer Antwort rief Bertrand Langa, den Anführer ihrer Träger von der Stammesgemeinschaft der Kadazan-Dusun, herbei, einen zähen kleinen Mann von ungefähr vierzig Jahren, dessen natürliche Autorität auch von seinem einfachen, kaum den Körper verhüllenden Wickelrock aus Rindenbast nicht gemindert wurde. Leah und Bertrand hatten sich vom ersten Treffen an ohne Murren seinen Anweisungen gefügt; von ihm hing das Gelingen der Expedition ab.
    »Wir würden gern eine halbstündige Pause zum Zeichnen einlegen. Ist das möglich?«
    Langa biss nachdenklich einer gerösteten Käferlarve den Kopf ab. »Sie haben von vornherein gesagt, dass es auf ein paar Tage mehr oder weniger nicht ankommt«, stellte er kauend fest. »Morgen gegen Abend

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