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Die Insel der Orchideen

Die Insel der Orchideen

Titel: Die Insel der Orchideen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: white
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aus denen sie schweißgebadet erwachte. Oft entzündete sie dann eine Lampe und stellte sich unbekleidet vor den Spiegel. Die Narben warfen harte Schatten. Der Brand hatte sie fürs Leben gezeichnet und machte jedes Vergessen unmöglich. Gut so. Sie wollte nicht vergessen, durfte nicht vergessen.
     
    Etwas mehr als vier Monate waren vergangen. Nur am Rande nahm Johanna wahr, wie die neue Amah, die sie nach Pings und Lims Weggang eingestellt hatte, die Kinder zur Ordnung rief. Sie waren schon den ganzen Nachmittag außergewöhnlich zappelig. Trappeln und Flüstern erfüllte die Luft. Johanna suchte die Unruhe zu ignorieren, was sich als schwierig erwies. Als dann eine Kutsche vor dem Haus hielt, ließ sie sich widerwillig auf die wirkliche Welt ein. Sie erhob sich, um den Überraschungsgast zu begrüßen.
    Es war Chee Boon Lee. In seinem Gefolge traten Koh Kok, Mercy und Andrew in den Garten. Alle trugen ein geheimnisvolles, erwartungsfrohes Lächeln zur Schau.
    Chee Boon Lee kam Johanna entgegen. An seiner Seite tauchte Lily auf. Ihre strahlenden Augen huschten hin und her, kaum wusste sie, wohin mit ihren Händen, bis Hermann ihr etwas ins Ohr flüsterte. Sofort beherrschte sie sich.
    Johanna räusperte sich. »Herzlich willkommen.« Sie verstummte. Was wollten sie alle von ihr?
    Chee Boon Lee deutete eine Verbeugung an. »Verehrte Mrs von Trebow«, setzte er mit ungewohnter Förmlichkeit an. »Im Namen aller Anwesenden, auch Ihrer Kinder, möchte ich Sie ersuchen, uns zu einer Ausfahrt zu begleiten.«
    Niemand beachtete ihre Proteste. Mercy schaffte Hut und Straßenschuhe herbei und zwang Johanna hinein. Binnen Minuten waren sie in zwei Kutschen unterwegs zum Fluss. Als Johanna auf die Frage, was denn los sei, nur fröhliches Augenzwinkern zur Antwort bekam, versank sie wieder in Schweigen. Müde ließ sie den Blick nach draußen wandern und stellte fest, dass sich nichts verändert hatte. Die Welt drehte sich weiter, ohne dass der Brand in Rochor auf das Leben in der Stadt Einfluss nahm.
    Johanna beugte sich vor. Sie spürte eine warme Hand in ihrer. Mit seltener Schüchternheit lächelte Lily ihr zu. Johanna lächelte mühsam zurück. Sie überquerten die Elgin Bridge, das Gewühl der Lastenträger, Kutschen und Kulis wurde dichter. Lang vermisste Gerüche strömten in Johannas geblähte Nasenflügel, selbst der Gestank war ihr willkommen, ebenso die grellbunten chinesischen Ladenschilder und der Lärm aus tausend Kehlen.
    »Du willst mir immer noch nicht verraten, wohin wir fahren?«
    Lily schüttelte den Kopf, ihr Lächeln verwandelte sich in ein lautes Lachen. Mercy und selbst Dinah schlossen sich an.
    Weiter ging es, um Straßenecken und durch Gassen. In einer belebten Straße im Herzen des chinesischen Viertels zügelte der Kutscher sein Pferd. Johanna folgte Mercy und den Mädchen zögernd auf die Straße. Verwundert sah sie sich um. Klanhäuser und Teestuben reihten sich aneinander, doch nicht diese zogen ihre Aufmerksamkeit auf sich: Direkt vor ihr fügte sich ein breites, zweistöckiges Haus in die Straßenzeile. Aus stuckverzierten Fenstern blickten chinesische Arbeiter erwartungsvoll auf sie herunter, und eine Frau winkte ihr aus dem oberen Stockwerk zu. Johanna kniff die Augen zusammen. Überrascht erkannte sie Mary, jene eurasische Krankenschwester, die am Tag des Brandes mit der Hiobsbotschaft in die Hochzeitsgesellschaft geplatzt war.
    Ihre Begleiter bildeten einen Halbkreis um sie. Aller Augen ruhten auf ihr. Bevor Johanna etwas sagen oder fragen konnte, gab Chee Boon Lee ein Zeichen. Zwei der Arbeiter rissen an einem von Leinen über dem Eingangsportal gehaltenen Tuch. Es sank zu Boden und gab das darunterliegende Schild frei. Johanna blieb vor Verblüffung der Mund offen stehen.
    In großen goldenen Lettern prangten dort auf tiefrotem Grund chinesische Zeichen und ein gleichlautender englischer Schriftzug:
     
    THE ORCHID HOSPITAL
     
    Johanna schlug die Hand vor den Mund, Freudentränen rannen ihr die Wangen hinab. Mit plötzlicher Klarheit erkannte sie, dass nicht ihre vermeintliche Schuld sie in den letzten Monaten gelähmt hatte, sondern Selbstmitleid. Dankbarkeit flutete ihr Herz. Mit gefalteten Händen, das Haupt erhoben, sandte sie ein tiefempfundenes Gebet zu ihrem Schöpfer, der ihre wunderbaren Kinder und Freunde als Werkzeuge benutzt hatte, um ihr einen Weg aus der Traurigkeit zu weisen.
    »Die Orchideen-Klinik. Lily hat den Namen ausgesucht«, sagte Chee Boon Lee nach einer langen

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