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Die Insel der Orchideen

Die Insel der Orchideen

Titel: Die Insel der Orchideen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: white
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die Freundin davon abzuhalten, den Harringtons ihrerseits einen Besuch abzustatten und die Meinung zu sagen.
    Die Hochzeit, so bescheiden sie auch sein mochte, lockte Gaffer an, die ihre Gesichter durch Tür und Fenster reckten, um einen Blick auf die illustren Mems und auf Pings rotes Hochzeitsgewand zu werfen. Plötzlich ging ein Raunen durch die Menge, die Kulis gaben den Weg für einen neuen Gast frei. Für einen Moment erstarb jedes Geräusch, Essstäbchen blieben auf halbem Weg zum Mund in der Luft hängen, Bissen im Hals stecken. Der Neuankömmling grüßte freundlich in die Runde und schritt auf Lim zu, der vor Verblüffung alle Regeln der Höflichkeit vergaß. Ping nicht minder. Johanna konnte es ihnen nicht verdenken. Die Anwesenheit von Chee Boon Lee adelte jedes Fest der Stadt. Dieser Hochzeit aber verlieh sie märchenhaften Glanz.
    Johanna eilte Ping und Lim zur Seite. Eine Einladung zum Essen lehnte Chee Boon Lee ab, das wäre wohl auch zu viel gewesen, und hob stattdessen sein Glas, das Johanna ihm geistesgegenwärtig in die Hand gedrückt hatte. »Ich wünsche unseren neuen Apothekern Glück. Mögen sie es zu Reichtum bringen, der meinem in nichts nachsteht. Der erste Schritt ist getan. Ho say!«
    Er hat recht, dachte Johanna, als sie ihr Glas leerte. Mit dem Erwerb der Apotheke und dem Eintrag ins Handelsregister hatten Ping und Lim einen großen Schritt die gesellschaftliche Leiter hinauf getan. Sie waren keine Dienstboten mehr, sondern Unternehmer. Singapur liebte Menschen, die aus dem Nichts etwas erschafften, Singapur liebte Ping und Lim. Boon Lee hatte durch seinen Besuch ein weithin sichtbares Zeichen gesetzt, und dafür dankte sie ihm im Stillen.
    Interessiert lauschte Chee Boon Lee Lims Ausführungen über dessen Pläne bezüglich der Apotheke, wünschte den beiden noch einmal alles Glück und verabschiedete sich dann. Johanna geleitete ihn gerade zur Tür, als sich draußen Unruhe bemerkbar machte. Ein weiterer unangekündigter Gast? Eine zierliche Gestalt drängelte sich durch die Gaffer und stolperte herein. Johanna schrie auf, als sie eine ihrer Krankenschwestern erkannte. Der sonst stets ruhigen und umsichtigen Eurasierin stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. »Es brennt«, keuchte sie. »Die Klinik brennt lichterloh!«
     
    Sie erreichten das Gebäude kurz nach den ersten Polizisten und Marinesoldaten, die umgehend Löschketten organisierten. Johanna sprang aus Chee Boon Lees Kutsche, mit der sie zum Unglücksort gejagt waren, und rannte aufs Grundstück. Das Küchenhaus, in dem sich der Brand offensichtlich entzündet hatte, lag bereits in Schutt und Asche, aus den oberen Fenstern des Haupthauses schlugen grellorange die Flammen in den Nachthimmel. In sicherem Abstand vom Haus wurde ein gutes Dutzend Patientinnen und zwei Krankenschwestern von den herbeigeeilten Dienern der Nachbarn versorgt. Johanna zählte bang die Köpfe. Zu wenige, es waren zu wenige! Sie hetzte weiter. Ein Soldat hastete mit einem Bündel im Arm aus dem Eingangsportal. Er machte ein paar Schritte vom Haus fort, legte die Ohnmächtige ab und verschwand wieder. Johanna folgte ihm bis zur Tür. Rauch nahm ihr die Sicht. Glühende Holzteile stürzten vom Dach, eines verfehlte sie nur knapp. Sie wich zurück, wollte sich schon zurückziehen, doch dann vernahm sie trotz des Lärms einen Schrei. Es waren noch bettlägerige Frauen im hinteren Saal! Die Sorge um ihre Schutzbefohlenen verdrängte ihre Angst. Ein Polizist stürmte auf sie zu, Wassereimer in den Händen. Kurz entschlossen riss Johanna ihr Schnupftuch heraus und tränkte es in dem Eimer. Bevor der Mann sie von ihrem Vorhaben abhalten konnte, warf sie sich mit dem vor den Mund gepressten Tuch in den immer stärker quellenden Rauch.
    Aus dem ersten Stock strahlte Gluthitze, doch das Erdgeschoss schien noch intakt. Johanna schwindelte, mühsam kämpfte sie sich weiter vor bis zum Krankensaal. Die Tür stand offen, gerade kam ihr der Soldat erneut entgegen, ein zweiter folgte. »Es sind noch drei drinnen!«, schrie er gegen das Brausen des im Obergeschoss wütenden Feuers an. »Machen Sie schnell!« Er warf einen zweifelnden Blick nach oben, und jetzt sah Johanna es auch: Flammenzungen fraßen sich durch die Zimmerdecke, das ganze Haus knirschte und ächzte. Sie hastete weiter, hinein in den Saal, wo sie mit Wehklagen und flehentlich ausgestreckten Armen empfangen wurde. Johanna fasste der Patientin im nächstliegenden Bett unter die Achseln und wuchtete

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