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Die Insel der Orchideen

Die Insel der Orchideen

Titel: Die Insel der Orchideen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: white
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hatte, war Henry nach wie vor unklar, aber die Sympathie beruhte auf Gegenseitigkeit. Miller, der das Südchinesische Meer und den Indischen Ozean besser kannte als manche Dame den Inhalt ihrer Schmuckschatulle, war ein alter Haudegen, der seine wenigen Freunde nicht im Stich ließ.
    »Passen Sie auf, mein Freund«, polterte Miller jetzt, »wir beide genehmigen uns einen ordentlichen Schluck in meiner Kajüte. Ich erzähle Ihnen von meinen letzten Abenteuern, und Sie lassen sich die Sache durch den Kopf gehen. Bevor ich mich an Leute mit weniger Skrupeln wende, werde ich die Ware noch bis übermorgen zurückhalten.«
     
    Der Arrak aus Batavia war gut und stark, die Kapitänskajüte stickig. Bevor Henry sich’s versah, hatte der Alkohol seinen Kopf umnebelt. Miller schwadronierte unterdessen in einem ununterbrochenen Redestrom über die weiche Haut der käuflichen Mädchen in Batavia, die Pracht Singapurs und über die Unzulänglichkeit der europäischen Kriegsflotten, die chinesischen Piraten in die Schranken zu weisen. Dann ließ er sich lang und breit über seinen letzten Aufenthalt auf den Philippinen aus. Beiläufig erwähnte er eine Begebenheit in einem Küstendorf, wo er einen europäischen Mann gesehen zu haben meinte. Henry horchte auf.
    »Wiederholen Sie das«, forderte er, schlagartig nüchtern.
    »Na, dieser Häuptling bot mir doch tatsächlich ein Sklavenmädchen im Tausch gegen meine Bordkanone an.« Miller schnaubte verächtlich. »So weit kommt’s noch, dass ich ein Weib an Bord nehme. Bringt nur Scherereien. Und ihm eine Kanone überlassen, damit er sie beim nächsten Besuch auf mein Schiff richtet? Ich mag ungebildet sein, aber für blöd verkaufen lasse ich mich nicht.«
    »Und dieser Weiße?«
    »Ja, das war seltsam. Ich sah ihn nur von Weitem. Ein blonder Mann, mittlere Größe, etwa fünfundzwanzig Jahre alt. Wahrscheinlich ein Sklave, denn als ich nachbohrte, hieß es, es gäbe keinen Weißen im Dorf. Ein paar meiner Männer zogen daraufhin vorsichtig Erkundigungen ein. Da gab es wohl vor einigen Monaten ein Tauschgeschäft, in dem auch ein paar europäische Gefangene den Besitzer gewechselt haben. Mehr bekamen sie nicht heraus, also ließ ich die Sache auf sich beruhen.«
    »Warum?«, fragte Henry atemlos.
    »Es lag auf der Hand«, erklärte Miller selbstgefällig. »Ein europäischer Gefangener bringt den braunen Schlitzohren nur auf zwei Arten Nutzen. Entweder sie versuchen, Lösegeld für ihn zu erpressen. Oder aber er bringt ihnen bei, wie man mit Feuerwaffen umgeht. Nach der Geschichte mit meiner Kanone tippe ich auf die zweite Variante. Das Geschütz hätte ihnen schließlich nichts genutzt, wenn ihnen niemand zeigen kann, wie man es benutzt.«
    »Und wo genau liegt dieses Dorf?«
    Miller kniff die Augen zusammen. »Sie denken an Ihren deutschen Freund, nicht wahr?«
    Henry nickte. Tausende Männer passten auf Millers Beschreibung, doch er durfte nichts unversucht lassen. Und die
Albatros
war vor ihrem Verschwinden zuletzt in Manila gesehen worden.
    »Machen Sie sich besser keine Hoffnung. Normalerweise gibt es im März keine Taifune, doch einige Tage nach dem Auslaufen der
Albatros
aus Manila ist ein heftiger Monsunsturm über die Region gefegt. Ich war auf Höhe der Spratly-Inseln, als er mich erwischte. War kein Spaß, das versichere ich Ihnen. Würde mich nicht wundern, wenn die
Albatros
mit Mann und Maus gesunken ist.« Er machte eine hilflose Handbewegung. »Tut mir leid. Trinken wir noch einen.«
    Henry schob das frisch gefüllte Glas von sich. »Ich meine es ernst.«
    Miller erhob sich seufzend und entrollte nach kurzem Wühlen eine Seekarte auf dem Tisch. »Hier«, sagte er und legte seinen beringten Zeigefinger auf die Westküste Mindoros, der großen Insel südlich von Luzon. Dann fasste er Henry ins Auge. »Ich sag Ihnen etwas: Wenn Sie mein Opium nehmen, bringe ich Sie nach Mindoro. In wenigen Wochen sollte ich wieder startklar sein, genügend Zeit also für Sie, die Ware in bare Münze zu verwandeln.«
    »Ich kann das nicht.«
    »Ach, hören Sie doch auf, sich wie eine Nonne zu zieren! Vergessen Sie nur dieses eine Mal Ihre Prinzipien, und Sie verdienen genug, um sich den Luxus zu erlauben, dem Gespenst Ihres Freundes nachzujagen.« Er streckte die Hand aus.
    »Warum tun Sie das?«
    »Weil der Osten ehrliche Männer wie Sie braucht. Ich kann nicht zulassen, dass Sie in England verkümmern.«
    Henry leerte sein Glas mit dem hochprozentigen Palmenschnaps in einem Zug. Dann

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