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Die Insel der Orchideen

Die Insel der Orchideen

Titel: Die Insel der Orchideen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: white
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die sie von ihnen angefertigt hatte, war sie besonders stolz – nur selten war es ihr gelungen, Lebendigkeit und Lebensfreude so gut einzufangen. Natürlich hatten die Kleinen sie entdeckt und sich tropfnass um sie geschart. Sie musste bei der Erinnerung lachen. Es war ein unbeschreibliches Durcheinander gewesen, als sie damit begonnen hatte, die Kinder zu portraitieren und die Bilder zu verschenken. Sie wandte sich Boon Lee zu.
    »Sollte es uns gelingen, einmal mehr Zeit bei Tageslicht zu verbringen, möchte ich dich zeichnen.«
    »Es wird mir eine Ehre sein. Ich habe schon viel von deinen Künsten gehört, doch noch nie etwas gesehen.«
    »Das wird schon kommen. Aua!« Etwas hatte Leah äußerst schmerzhaft in den Zeh gezwickt. Vor Schreck verlor sie das Gleichgewicht, stolperte und landete rücklings im flachen Wasser. Sofort war Boon Lee bei ihr und half ihr auf.
    Leah sah an sich hinunter. Das Kleid klebte in nassen, schweren Bahnen an ihrem Körper. »Ich kann nur hoffen, vor allen anderen zu Hause zu sein!«
    »Wir brechen lieber sofort auf. Komm.«
    Widerstrebend folgte sie Boon Lee den Strand hinauf und zum Waldsaum, wo das Gehen weniger beschwerlich war. Schweigend machten sie sich auf den Rückweg.
    Vom Strand erklangen Stimmen. Leah und Boon Lee traten sofort zwischen die Büsche und ließen sich fallen, hoffend, dass ihre weiße Kleidung den Spaziergängern nicht ins Auge stach. Ihre Sorgen waren überflüssig. Das Paar hatte nur Augen für den jeweils anderen. Der Kleidung nach zu urteilen waren die beiden, die da so innig umschlungen den Strand hinabspazierten, Europäer. Ein Lachen schwebte zu ihnen herüber, und Leah stieß erstaunt die Luft aus. »Johanna und Friedrich«, flüsterte sie. »Von wegen Konzert!«
    »Heimliche Ausflüge scheinen in eurer Familie zum Tagesprogramm zu gehören«, gab Boon Lee amüsiert zurück.
    »Ich denke, es ist ein Sonderfall. Immerhin heiraten sie in einer Woche.«
    Als das Paar außer Sicht war, rollte sich Leah auf den Rücken und blickte in die Baumkronen. Eine leichte Brise bewegte die Palmwedel und Blätter. Hier und da blitzten die ersten Sterne auf.
    »Kannst du tanzen?«, fragte sie.
    »Ein wenig. Aber hältst du das wirklich für eine gute Idee?«
    »Die Hochzeitsfeier wäre eine Gelegenheit, sich einmal in aller Öffentlichkeit unterhalten zu können. Wir müssen jemanden dazu bringen, uns einander vorzustellen.«
    »Da ich Friedrich bereits kennengelernt habe, sollte es kein Problem sein.«
    »Du kennst Friedrich?«
    »Aber ja. Er hat bei meinem Vater und mir einen Antrittsbesuch gemacht, kurz nachdem er in Singapur ankam. Er hat bereits Stauraum auf zweien unserer Schiffe gebucht. Henry Farnell sendet ihm Waren, damit er wieder ins Geschäft kommt. Sein Vermögen besteht ja noch, da er den Piraten entfliehen und sie kein Geld erpressen konnten.«
    »Das erklärt einiges. Ich hatte mich schon gefragt, wie er es sich leisten kann, eine so große Feier auszurichten.«
    »Hat er dir denn nichts erzählt?«
    »Wenig. Ich verstehe mich nicht sonderlich gut mit ihm, um es diplomatisch auszudrücken. Farnell ist mir lieber. Bowie übrigens auch. Er fehlt mir, seit er so überstürzt nach Indien abgereist ist.«
    »Muss ich eifersüchtig sein?«
    »Hm.« Leah lachte leise. »Und wenn ja?«
    »Dann würde ich dich auf eine einsame Insel bringen.« Er zeigte aufs Meer. »Die da zum Beispiel. Aber im Ernst, ich bin sehr gespannt auf diesen Farnell. Einen Freund wie ihn suchen die meisten vergeblich. Ist er schon angekommen?«
    »Nein, aber wir erwarten sein Schiff täglich.« Sie stand auf. »Nun müssen wir wirklich gehen.«
    Wenig später huschte Leah ungesehen zurück ins Haus. Als Johanna und die Mutter zurückkehrten, hatte sie das nasse, sandige Kleid längst unter der anderen für die Wäscher bestimmten Kleidung versteckt und stellte sich schlafend.
    * * *
    Johannas Herz klopfte so stark, als wolle es die Rüstung ihres Mieders sprengen. Am Ende hatte sich Mercy doch durchgesetzt und ihr ein Korsett aufgeschwatzt, das ihr zu einer atemberaubend schmalen Taille verhalf.
    »Mir ist schwindelig.« Johanna suchte nach der Hand der neben ihr sitzenden Mercy.
    »Untersteh dich, am Altar in Ohnmacht zu fallen.«
    »Ich gebe mir Mühe.«
    Die orchideengeschmückte Kutsche fuhr bald darauf vor der Malaiischen Kapelle vor, so genannt, weil Reverend Keasberry dort jeden Dienstag und Sonntag in malaiischer Sprache predigte. Für den heutigen Sonntag hatte er

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