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Die Insel der Orchideen

Die Insel der Orchideen

Titel: Die Insel der Orchideen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: white
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Moment in ihr Zimmer zurück. Sie erfrischte sich am Waschtisch, trat ans Fenster und ließ zufrieden den Blick über die bunt gemischte Gesellschaft schweifen. Direkt unter ihrem Fenster fachsimpelte Friedensrichter Joseph Rose mit Tan Kim Seng vom Armenhospital, seinem Arztkollegen Robert Little und Leah, die, den interessierten Mienen der Herren nach zu urteilen, Gewichtiges beizusteuern hatte. Johanna schmunzelte, als sie den bewundernden Ausdruck auf Alfons Lehmanns Gesicht sah. Der junge deutsche Kaufmannsassistent hing wie stets an Leahs Lippen, als tropfe von ihnen die Offenbarung, während sie ihn geflissentlich ignorierte. Er tat Johanna ein wenig leid. Alfons war ein netter Kerl, aber er hatte nicht den Hauch einer Chance, ihre Schwester jemals heimzuführen.
    Weiter schweifte ihr Blick und sie entdeckte Henry Farnell, der allein etwas abseits stand. Sofort bekam ihre Hochstimmung einen Dämpfer. Farnells Haltung spiegelte die Bedrücktheit wider, die ihn seit seiner Ankunft vor einigen Tagen nicht verlassen hatte, auch wenn er alles daransetzte, sie mit einer fröhlichen Miene zu überspielen. Johanna spürte Ärger in sich aufsteigen. Konnte er sich denn nicht wenigstens an ihrem Hochzeitstag mit ihr freuen? Immerhin war sie es gewesen, die Friedrich dazu gedrängt hatte, ihn einzuladen. Nach allem, was der wortkarge Engländer für Friedrich getan hatte, war es ihrer Meinung nach nur recht und billig, dass er der Trauzeuge ihres Mannes wurde. Insgeheim hatte sie gehofft, Farnell hätte sich verändert, doch als er vom Schiff stieg, wusste sie sofort, dass dem nicht so war. Nun, in wenigen Tagen würde der Sauertopf zurück nach Hongkong reisen, wo sein prosperierendes Handelshaus seine Anwesenheit erforderte. Sie musste sich eingestehen, dass sie den Tag herbeisehnte, an dem sie Friedrich endlich für sich allein hatte.
    Sie beugte sich weiter vor und suchte nach Friedrich, der von einem Grüppchen zum nächsten ging und sich feiern ließ. Jetzt sah er auf, und ihre Blicke trafen sich. Johanna warf ihm eine Kusshand zu und wollte sich abwenden, um wieder zu den Gästen zu stoßen, als etwas Seltsames geschah. Leah versteifte sich und machte einige unbeherrschte Schritte auf das Gartentor zu. Schon nach dem dritten Schritt überlegte sie es sich aber anders, drehte sich abrupt um und gesellte sich wieder zu den erstaunten Herren. Sie sagte etwas, das Johanna nicht verstand, und der Vorfall endete in Gelächter. Neugierig beugte sich Johanna vor, um zu sehen, welche verspäteten Gäste Leah so offenkundig aus der Fassung gebracht hatten. Auch ihr verschlug es die Sprache.
    Die Ankömmlinge entfalteten eine ungeheure Pracht, wobei Johanna nicht klar war, ob die Kleidung ihr zur Ehre getragen wurde oder aber sie brüskieren sollte. Bevor sie voreilige Schlüsse ziehen konnte, eilte sie nach unten und zum Tor. Den reichsten Mann der Stadt ließ man nicht warten.
    Der Alte Chee, wie man ihn seit dem Tod seines Vaters gemeinhin nannte, obwohl er die fünfzig noch nicht erreicht hatte, erwies sich als formvollendeter Gentleman. Seine herzliche Begrüßung ließ Johanna jeden bösen Gedanken vergessen: Die Brokatgewänder, die Stickborten und schweren Juwelen sollten ihr Fest zieren, nicht beschämen. Dem Alten Chee folgte seine Gattin, eine hübsche, wenn auch etwas plumpe Frau. Sie stammte direkt aus China, im Gegensatz zu ihrem Baba-Gatten, der ein Nachfahre jener chinesischen Händler war, die bereits vor Jahrhunderten in den Häfen Malayas sesshaft geworden waren und sich einheimische Frauen genommen hatten. Man munkelte, im Stammbaum des Alten Chee fänden sich Frauen aus Malaya, Sumatra und sogar eine Dayak-Sklavin aus Borneo.
    Gemeinsam mit ihren puppenhaften Töchtern verbeugte sich die Dame vor Johanna und Friedrich. Als Letzter machte der Sohn des Hauses, Chee Boon Lee, ebenfalls in der Baba-Tracht der alteingesessenen Familien und schön wie ein Gemälde, ihnen seine Aufwartung.
    Fünf Minuten später krachte der erste Donner und scheuchte die ausgelassene Gesellschaft in den Schutz des ausgeräumten Salons und der Veranda.
     
    Johanna gähnte herzhaft. Mitternacht musste längst vorüber sein. Noch immer wirbelten die Tanzwütigen im Salon, und auch von den Tischen im Garten waren noch viele besetzt. Lim hatte nach dem Gewitter die bunten Lampions entzündet, Champagner, Wein und Whisky flossen reichlich, angeheitertes Lachen schwebte durch die warme Nacht. Mit Friedrich hatte Johanna kaum fünf

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