Die Insel der Orchideen
allerdings den normalen Gottesdienst zugunsten von Johannas und Friedrichs Hochzeit abgesagt. Niemand beschwerte sich, im Gegenteil. Die malaiischen, indischen, buginesischen und chinesischen Christen aus Keasberrys Gemeinde waren trotzdem gekommen, neugierig auf die Braut in ihrem mondänen Pariser Kleid, das in ihren Augen an Exotik nicht zu überbieten war. Sie waren allerdings so zuvorkommend gewesen, den geladenen Gästen die Bankreihen zu überlassen, und drängelten sich in gespannter Erwartung unter dem neoklassizistischen Portikus der Kapelle. Es gab so wenige Hochzeiten in Singapur, dass auch die Straße mit festtäglich gestimmten Schaulustigen verstopft war. Sie bildeten ein Ehrenspalier für die Kutsche, und Johanna sah Turbane und Saris, Kappen und Schleier. Etwas weiter die Straße hinunter lärmte sogar eine Kapelle die merkwürdig schrägen Weisen des Fernen Ostens, umtanzt von vergnügten Kindern. Johanna winkte zaghaft und wurde mit einem wahren Regen von guten Wünschen überschüttet. Friedrichs Odyssee hatte sich in der ganzen Stadt herumgesprochen, und da alle Welt es liebte, wenn eine tragische Geschichte gut endete, geriet ihre Hochzeit zu einem spontanen Volksfest.
Die Gäste hatten ihre Plätze bereits eingenommen, lediglich Andrew Robinson wartete zwischen den Säulen am Eingang. Galant bot er Johanna den Arm und betrat mit ihr die Kapelle, während Mercy, Johannas Trauzeugin, in angemessenem Abstand folgte. Raunen und Rascheln erfüllten den Raum, alle Augen richteten sich auf Johanna. Sie hielt den Blick geradeaus gerichtet, wo vorm Altar Friedrich und sein Trauzeuge Henry bereits auf sie warteten. Ihr war entsetzlich beklommen zumute, obwohl es doch der schönste Tag ihres Lebens sein sollte. Andrew Robinson, der sonst immer so steif wirkte, merkte, wie ihr die Knie weich wurden.
»Wird schon gutgehen«, flüsterte er. »Ich weiß aus Erfahrung, dass auch Ihrem Friedrich der Magen rebelliert. Sie brauchen nur ›Ja‹ zu sagen, alles andere erledigt der Reverend.« Dankbar drückte sie seinen Arm. Zwei Wimpernschläge später stand sie neben Friedrich.
Reverend Keasberrys Predigt sei sehr gut gewesen, sagte man ihr hinterher, doch die Worte waren nur an ihr vorbeigerauscht. Sie verpasste sogar beinahe ihren Einsatz. Aber dann waren der Eheschwur geleistet, die Ringe getauscht, und sie bekamen die Erlaubnis, sich zu küssen. Alle Nervosität fiel von Johanna ab, und sie warf sich in Friedrichs Arme.
Als die Hochzeitsgesellschaft zum Bungalow der Uhldorffs zurückkehrte, stand Lim mit einer kleinen Armee dienstbarer chinesischer Geister am Gartentor und verbeugte sich tief. Johanna nahm seine Glückwünsche entgegen, trat in den Garten und blieb wie angewurzelt stehen.
Lim hatte in den wenigen Stunden ihrer Abwesenheit ein Wunder vollbracht. In allen Bäumen hingen bunte Seidenlampions aus Hoi An, die Kapelle hatte ein blumenumkränztes Podest bekommen, und der ganze Garten stand voller üppig gedeckter Tische. Offensichtlich hatte sich Lim diesmal nicht nur das Geschirr fremder Haushalte geliehen, sondern auch das Mobiliar, und die Diener hatte er gleich mit rekrutiert. Sie hatte gut daran getan, ihm und Leah die gesamte Planung zu überlassen, auch wenn Mercy bis zum Schluss geunkt hatte, alles würde schiefgehen, und man könne den Chinesen eine derartige Verantwortung unmöglich überlassen, von Leah ganz zu schweigen.
Die Feier entwickelte sich zu einem umwerfenden Erfolg. Friedrich hatte darauf bestanden, alles einzuladen, was Rang und Namen hatte, und fast alle waren erschienen, sogar der Gouverneur sowie Henry Somerset Mackenzie nebst Gattin, oberster Rat ihres geliebten Singapurs, im Festtagsstaat und mit blendender Laune. Eine Hochzeit wollte sich niemand entgehen lassen. Johanna war heilfroh, dass der Garten des kleinen Bungalows so groß war, sonst hätten sie auch noch auf der Straße feiern müssen. Niemand störte sich an dem eher bescheidenen Ambiente, am wenigsten der Ehrenwerte Gouverneur Blundell, was daran liegen mochte, dass er erst vor wenigen Wochen aus seinem windschiefen, mattengedeckten Holzbungalow auf dem Government Hill in ein gemietetes Haus in der Stadt gezogen war. Seine bisherige Residenz war so baufällig gewesen, dass Johanna und alle anderen Einwohner Singapurs nach jedem Sturm angstvoll zum Hügel hinaufgeblickt hatten, ob es ihren Gouverneur nicht davongeweht hatte.
Nachdem sie alle Hände geschüttelt hatte, zog sich Johanna für einen
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