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Die Insel der Roboter

Die Insel der Roboter

Titel: Die Insel der Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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schien noch weiter gewachsen zu sein, seine sonst so beweglichen Augen blickten ruhig und konzentriert auf das Blatt. Er arbeitete. Oder vielleicht treffender: Er verarbeitete.
    Ich musterte verstohlen die drei Mitarbeiter. Keinem von ihnen hätte ich angesehen, was der Professor erzählt hatte. Ilona Krause hatte ein gutes Gesicht mit etwas müden Augen hinter einer schmalgefaßten Brille, Gerda Sommer sah keineswegs pummelig und Erwin Rebel auch gar nicht besonders strahlend aus. Vielleicht hatte der Professor übertrieben? Vielleicht durfte man nicht alles so ganz ernst nehmen, was er gesprächsweise äußerte? Aber andererseits, ich kannte die künftigen Kollegen nicht, und wenn ein Mensch nur dasitzt und wartet, kann man sein Wesen wohl kaum entdecken.
    Professor Hetz schlug die Mappe zu und reichte sie Horst Heilig. »Einhelligkeit?« fragte er die anderen.
    »Ich hatte Bedenken bei der Praktikantin Nora Siebenstein«, sagte Ilona Krause mit einer dunklen, sanften Stimme, »aber ich habe mich überzeugen lassen.«
    »Überzeugen oder überreden?«
    Ilona Krause schwieg.
    »Welche Argumente hatten Sie gegen den Vorschlag?« fragte der Professor nun.
    Doktor Krause hob die Hände und ließ sie wieder fallen. »Sie verdreht allen Studenten den Kopf. Sie weiß, daß sie schön ist, und läßt das auch spüren. So was kann stören.«
    »Die Gegenargumente?« fragte der Professor.
    Erwin Rebel nahm das Wort.
    »Nora Siebenstein ist begabt, fleißig, das Thema ihrer Examensarbeit liegt genau auf unserer Linie: Komposition von Arbeitsprozessen aus genormten Teilaktivitäten. Und was die Studenten betrifft, so braucht sie sich absolut nicht darum zu bemühen, die drehen von ganz allein den Kopf. Und, ehrlich, ich drehe ihn auch.«
    Ilona Krause spitzte den Mund, sagte aber nichts. Gerda Sommer lächelte breit, ihre Mundwinkel besuchten die Ohren, und jetzt sah sie wirklich aus wie ein Pummelchen.
    »Guck mal, Loni«, sagte sie, »der Professor wird ja auch von verschiedenen Damen angehimmelt, und kann er etwa was dafür?«
    Ilona Krause senkte den Kopf, mir schien fast, als gehöre sie auch zu den erwähnten Damen; trotzdem hatte ich nicht den Eindruck, daß nun irgendwelche Spannungen entstanden wären.
    »Ich finde«, sagte der Professor, »daß die Argumente von Erwin Rebel einen entscheidenden Vorzug haben: Sie sind konkret auf die Sache bezogen. Jemand anderer Meinung? Dann ist das klar. Im übrigen bin ich mit der Liste einverstanden.«
    Horst Heilig hatte bis jetzt die Mappe intensiv studiert und schien gar nicht zugehört zu haben. Ich wußte damals noch nicht, daß er die seltene Gabe besaß, zwei Dinge zugleich tun zu können. Jetzt hob er den Kopf und sagte: »Ich möchte das Mädchen mal sehen, läßt sich das machen?«
    »Natürlich«, sagte der Professor lächelnd, »drehen Sie, sich bitte um – sie steht auf der linken Seite des Saals vor dem Oszillographen, sie hat einen blauen Hosenanzug an.«
    Wir beide, Horst Heilig und ich, drehten uns um und blickten durch die Glaswand, und ich muß sagen, ich verstand sofort, worum es in der Diskussion gegangen war. Nora Siebenstein war, also wenn ich mich kurz fassen soll, muß ich sagen, ein höchst erfreulicher Anblick. Und sie schien auch eine Art sechsten Sinn zu haben, denn während wir sie noch anblickten, wandte sie plötzlich den Kopf und lächelte uns zu. Aber sie schien die Beachtung, die wir ihr schenkten, nicht wichtig zu nehmen, denn gleich darauf beobachtete sie wieder aufmerksam den Bildschirm des Geräts, vor dem sie stand.
    Ein summender Ton lag plötzlich im Raum. Der Professor entnahm irgendeiner Schublade so etwas wie einen Telefonhörer, vor zehn Jahren waren diese Apparate noch üblich, allerdings war dieser hier ohne Schnur, also wenigstens dem Inhalt nach modern. Er meldete sich, horchte, sein Gesicht wurde ernst.
    »Alarm auf der INSEL!« erklärte er.
    »Wir beide wollten jetzt sowieso hinfahren!« sagte Horst Heilig.

2
    Wir hatten es anscheinend gar nicht eilig, zur INSEL zu kommen. Wiederholt hatte Horst Heilig angehalten, war ausgestiegen und hatte sich im Schnee die Beine vertreten. Jetzt, mitten im Erzgebirge, hielt er wieder auf einem Parkplatz an und förderte mich zum Aussteigen auf.
    »Wir machen eine kleine Schneeballschlacht«, sagte er. »Übrigens, soviel Verkehr ist hier nicht mehr, Sie könnten auch mal versuchen, sich die Nummern der vorbeifahrenden Wagen zu merken und dann aufzupassen, ob uns einer davon entgegenkommt

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