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Die Insel der Roboter

Die Insel der Roboter

Titel: Die Insel der Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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wenigstens im Alltag, in der Arbeit, im Familienleben. Deshalb haben viele Menschen trotz naturwissenschaftlicher Grundbildung immer noch Hemmungen, den Zufall und seine Gesetzmäßigkeiten dort auszunutzen, wo es angebracht ist, ja, wo es effektiver ist als jede andere Methode.
    Horst Heilig hatte sich eine Pfeife gestopft, ich sah das zum erstenmal bei ihm, bis jetzt hatte ich gedacht, er sei wie die meisten Menschen Nichtraucher. Später bemerkte ich, daß er sehr selten zur Pfeife griff, eigentlich nur dann, wenn er irgend etwas gründlich überlegen wollte. Er nickte mir zu.
    »In Ordnung. Halten Sie uns eine Vorlesung. Wir können uns gleich daran gewöhnen, denn Sie werden das wohl noch öfter tun müssen.« Er setzte seine Pfeife in Brand und lehnte sich bequem in seinen Sessel zurück.
    Ich überlegte einen Augenblick und begann: »Die Gesetzmäßigkeit, die den Zufall regiert, ist die Wahrscheinlichkeit. Die meisten Dinge, die wir als absolut sicher betrachten, sind im Grunde genommen nur so außerordentlich wahrscheinlich, daß wir den winzigen Rest Unwahrscheinlichkeit praktisch vernachlässigen können. Trotzdem bauen wir immer und überall Reserven ein, um ihn notfalls abzufangen: Wir kommen fünf Minuten eher zu einer Verabredung, wir kaufen für das Wochenende etwas mehr ein, als wir erfahrungsgemäß brauchen, wir kontrollieren wichtige Termine in unserem Notizbuch kurz vorher noch einmal – aber das ist schon ein schlechtes Beispiel, denn Termine sind ja selten ganz sicher. Nun gibt es aber auch Ereignisse, bei denen der Zufall deutlicher zutage tritt. Als Beispiel dafür nimmt man gern das Würfelspiel – wobei man dem Begründer der Wahrscheinlichkeitsrechnung, Blaise Pascal, folgt.
    Als mathematische Wahrscheinlichkeit bezeichnet man die Zahl der günstigen Fälle, dividiert durch die Zahl der gleichmöglichen Fälle; wobei günstig hier keine Wertung bedeutet. Nehmen wir die Wahrscheinlichkeit, mit einem Würfel eine Sechs zu werfen. Die Zahl der günstigen Fälle ist hier eins, da der Würfel nur eine Sechs hat; die Zahl der gleichmöglichen Fälle sechs, da er sechs Zahlen hat. Folglich ist die Wahrscheinlichkeit für den genannten Ausgang des Würfelns ein Sechstel. Wichtig ist dabei, daß jeder Fall wirklich gleichmöglich ist. Die Wahrscheinlichkeit, mit zwei Würfeln je eine Sechs zu werfen, ist bedeutend kleiner, das sagt schon die Erfahrung. Aber wieviel kleiner? Die Zahl der günstigen Fälle ist auch hier eins, aber die Zahl der möglichen Fälle ist bedeutend höher. Beide Würfel sind voneinander unabhängig. Der erste Wurf hat sechs mögliche Ergebnisse, aber zu jedem davon gibt es wieder sechs mögliche Ergebnisse des zweiten Wurfs. Die Zahl der möglichen Fälle ist also sechs mal sechs gleich sechsunddreißig, und die Wahrscheinlichkeit beträgt folglich ein Sechsunddreißigstel, oder, was dasselbe ist, ein Sechstel mal ein Sechstel. Als Lehrsatz ausgedrückt, lautet das: Bei unabhängigen Ereignissen multiplizieren sich die Wahrscheinlichkeiten. Reicht diese Wiederholung aus der Schulzeit? Gut, für unsere Zwecke reicht sie jedenfalls. Die Wahrscheinlichkeit, daß ein Eindringling eine Sperre unentdeckt passiert, beträgt, wenn wir nach meinem Vorschlag verfahren, ein halb. Dann ist die Wahrscheinlichkeit, daß das siebenmal passiert, gleich eins durch zwei hoch sieben oder ein Hundertachtundzwanzigstel oder, in Prozent ausgedrückt, etwa null Komma acht Prozent. Anders herum: Mit einer Sicherheit von neunundneunzig Komma zwei Prozent wird er entdeckt.«
    »Uff!« stöhnte Horst Heilig. »Aber nichts zu machen – es stimmt!«
    »Eine Voraussetzung«, fuhr ich fort, »muß allerdings erfüllt sein: Die Ereignisse müssen wirklich unabhängig voneinander sein – mit anderen Worten: Der Schaltzustand jeder Sperre muß völlig unabhängig vom Zustand jeder anderen Sperre sein. Die Ein- und Ausschaltungen müssen mit absoluter Zuverlässigkeit erfolgen. Sobald diese Voraussetzung verletzt wird, multiplizieren sich die Wahrscheinlichkeiten nicht mehr, und die Möglichkeit, durchzukommen, wächst sprunghaft. Ein Mensch kann das nicht; kein Mensch, wie er es auch immer anstellen möge, kann absolut zufällig arbeiten. Wir brauchen also einen Zufallsgenerator; das heißt, genaugenommen eigentlich nur ein Magnetband mit Zufallsgrößen, das von einem solchen Generator erzeugt wurde. So was hat der Professor ganz bestimmt zur Verfügung. Eine automatische Schaltung zu bauen, die durch

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