Die Insel der Roboter
Heiligabend.«
»Tatsache?« fragte Inge spöttisch.
Ich drehte mich um. »Weißt du was? Wir machen einen Stadtbummel!«
»Einverstanden!« sagte Inge. »Wenn du dadurch auf andere Gedanken kommst!«
Ich sah mich noch einmal um, während ich mich anzog. Alles war blitzblank. Inge hatte schon immer den Putzteufel gehabt. Für Ordnung und Sauberkeit war ich auch, aber so etwas zur Leidenschaft erheben? Es hing wohl mit ihrem Beruf zusammen. Heute jedoch kam mir diese Eigenschaft sehr zupaß. Am Schreibtisch hatte ich noch nicht gesessen, und ich konnte mich darauf verlassen, daß die Platte spiegelblank war.
Als wir ins Treppenhaus gingen, tat ich, als müsse ich niesen, zog mein Taschentuch und wischte heimlich Knauf und Beschläge des Schlosses ab. Beim Schließen klemmte ich einen kleinen Zwirnsfaden unten in vielleicht zehn Zentimeter Höhe in die Tür.
Als ich aus der Haustür trat, schielte ich zu dem bewußten Wagen hin. Ein anscheinend junger Mann saß darin, die Scheibe war trotz der Kälte heruntergelassen. Lachend rief ich Inge zu, die schon unseren Wagen aufschloß: »Wohin zuerst – Kaufhaus oder Café?«
»Kaufhaus natürlich!« rief sie.
Wir fuhren ab.
»Was guckst du denn dauernd in den Rückspiegel?« fragte Inge nach einer Weile. »Und überhaupt will ich jetzt wissen, was los ist. Es ist doch irgendwas! Ich kenne dich!«
»Gleich!« sagte ich.
Wir fuhren auf die Hauptstraße, der andere folgte uns noch ein Stück und bog dann rechts ab. Ich hatte richtig gerechnet, er würde jetzt zu unserm Haus zurückfahren.
Ich wunderte mich ein bißchen, daß ich nicht aufgeregt war. Ich durchdachte alles, was ich tat, klar und nüchtern. Der Plan, den ich jetzt durchführte, hatte mich eine halbe Stunde Nachdenken gekostet. Das war wohl die Folge der Erlebnisse – und auch der Nachhilfestunden, die mir Werner Frettien gegeben hatte. Ich wandte mich zu Inge.
»Wir müssen jetzt ein bißchen Räuber und Gendarm spielen. Ich habe da auf der Autobahn einen hinter mir hergeschleppt, und ich nehme sehr stark an, daß er jetzt gerade dabei ist, sich ein bißchen unsere Wohnung anzusehen.«
Inge schwieg einen Augenblick verdutzt. »Ach so!« sagte sie dann.
»Genau so.«
»Na denn – nichts wie zur Polizei!«
»Hm-hm«, machte ich verneinend. »Nicht so hastig – erst muß er wieder weg sein!«
»Du willst ihn laufenlassen?«
»So ist es. Er kann bei uns nichts Wichtiges finden. Aber wir sind im Vorteil, wenn wir über den Gegner mehr wissen als er über uns.«
Inge verzog das Gesicht. »Und was nun?«
»Angst?«
Sie prustete verächtlich. »Im Gegenteil – ein Abenteuer unterm Weihnachtsbaum ist mal was Neues, das hatten wir noch nicht.«
»Also hilfst du mir?«
»Klar. Krieg’ ich nun eine Pistole?«
Ich lachte. »Sag mir lieber, wie der Kreisratsvorsitzende heißt. Du kennst doch hier alle Leute, die in Büros sitzen.«
»Er heißt Hinrich Waller und ist ein sehr netter Mensch, der jetzt mit seiner Familie den Weihnachtsbaum putzt.«
»Gut«, sagte ich, »das Lametta müssen die Kinder allein anhängen, denn ich muß ihn leider dabei stören.«
»Wenn er sich stören läßt.«
»Du unterschätzt meine internationale Bedeutung!« Ich zwinkerte ihr zu.
Ich hielt vor einer Telefonzelle. Das Telefonbuch war zerfleddert, und es fehlten auch einige Seiten, aber zum Glück nicht die von Wachtel bis Wuhlke.
»Guten Tag, Genosse Waller, entschuldigen Sie die Störung zu unpassender Zeit, mein Name ist Tischner, ich habe einen Sonderausweis, den ich hier nur Ihnen zeigen kann, ich brauche Ihre Hilfe. Nur für wenige Minuten. – Ja, danke, ich bin in fünf Minuten bei Ihnen.«
Die Frau, die öffnete, sah mich bitterböse an. Ich konnte es ihr nicht übernehmen, auch dem Vorsitzenden nicht, daß sein etwas fülliges Gesicht beim Anblick meines Sonderausweises nicht strahlte. Er bat mich in sein Arbeitszimmer, in dem überall geöffnete Kartons mit Festschmuck herumstanden.
»Also – wobei kann Ich Ihnen helfen?«
»Ich brauche die Hilfe der Polizei. Und zwar handelt es sich um die Auskunft über eine Autonummer aus dem Bezirk Karl-Marx-Stadt und um die Sicherung von Fingerabdrücken in meiner Wohnung. Könnten Sie den Diensthabenden im VPKA anrufen und mich avisieren? Und vielleicht sagen, daß man dort nicht allzuviele Fragen stellt?«
»Im allgemeinen geht das wohl telefonisch nicht«, sagte der Vorsitzende, »aber ich will mal sehen, wer da Dienst hat. Ach ja, geben Sie mir bitte
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