Die Insel der roten Erde Roman
Erinnerst du dich?«
Charlton überlegte. »Dunkel. Warum suchst du ausgerechnet jetzt danach? Willst du ihn Amelia zeigen?«
»Nein!«, entgegnete Edna, als wäre der Gedanke geradezu absurd. »Ich habe vorhin mit Betty gesprochen, und plötzlich fiel mir dieser Ausschnitt mit dem Foto wieder ein. Betty meinte, ich solle ihn suchen, weil er wichtig sei.«
Charlton war neugierig geworden. Und auch Sarah, die sich draußen im Flur an die Wand drückte, lauschte aufmerksam. Sie war ins Haus gegangen, um sich ein Schultertuch zu holen; als sie am Schlafzimmer der Ashbys vorbeikam, fiel gerade Amelias Name. Als Edna dann auch noch Betty erwähnte, wurden Sarahs Augen schmal vor Zorn. Sie hatte gleich gewusst, dass die Aborigine ihr Ärger machen würde! Aber was hatte es mit diesem Zeitungsausschnitt und dem Foto auf sich?
»War er nicht bei Camillas Briefen?«, fragte Charlton, während Edna hektisch in den Kartons wühlte. Keiner von beiden ahnte, dass ihr Gespräch belauscht wurde.
»Nein, bestimmt nicht. Ich muss diesen Ausschnitt finden, Charlton!«
»Ich werde dir helfen. Wo soll ich suchen?«
»Keine Ahnung. Ich dachte, der Ausschnitt wäre irgendwo hier drin, aber ich kann ihn nicht finden.« Edna drehte kurz entschlossen ein paar Schachteln um und schüttete den Inhalt aufs Bett. In dem Berg von Andenken, der sich im Lauf der Jahre angesammelt hatte, entdeckte sie alles Mögliche, aber keinen Zeitungsausschnitt.
»Wo könntest du ihn sonst noch hingetan haben?«
»Ich weiß nicht«, sagte Edna ungeduldig. »Vielleicht habe ich ihn in ein Buch gelegt. Ich werde gleich morgen Früh nachsehen. Amelia steht ja meistens eine Stunde später auf als wir, das sollte reichen. Ich möchte nicht, dass sie mich sieht, wenn ich die Bücher aus dem Regal nehme, und dass sie mich fragt, wonach ich suche.«
Sarah schlich in ihr Zimmer und versteckte sich hinter der geöffneten Tür. Ich muss diesen Ausschnitt finden, bevor er Edna in die Hände fällt, dachte sie. Und ich muss mir diese Betty Hammond vom Hals schaffen!
Im Geiste sah sie schon, wie sie unter den Augen von Lance verhaftet wurde, dessen Miene tiefste Verachtung widerspiegelte. Sie schauderte vor Angst. Sie wollte nicht nach Van-Diemens-Land zurück!
Als Edna und Charlton durch den Flur und in die Küche gingen, schlüpfte Sarah zur Vordertür hinaus, huschte um das Haus herum und betrat es durch die Hintertür. Die Ashbys schöpften keinen Verdacht: Sie ahnten nicht, dass Sarah im Haus gewesen war und sie belauscht hatte.
Cape du Couedic
Carlotta hatte den ganzen Nachmittag gebacken. Als sie fertig war, brachte sie einen Korb voller Gebäck zur Finnlay-Farm hinaus. Für Milo hatte sie einen ganz besonderen Keks dabei.
»Nein, Carlotta«, sagte Evan mit Bestimmtheit. »Es gibt gleich Abendessen. Vorher kriegen die Kinder keine Kekse mehr.«
Das passte Carlotta überhaupt nicht. Sie konnte nicht bleiben, musste aber sicher gehen, dass Milo seinen ganz speziellen Keks bekam. »Einer schadet doch nicht, signore« , säuselte sie.
Evan blieb hart. »Nach dem Essen, hab ich gesagt.«
Amelia, die am Herd stand und kaltes Lammfleisch aufschnitt, zollte Evan insgeheim Anerkennung, weil er Carlotta Paroli bot und sich nicht von ihr herumkommandieren ließ.
»Lassen Sie die Kekse da, ich werde sie nach dem Essen verteilen«, sagte sie zu der Italienerin.
Carlotta hatte keine andere Wahl. Sie nahm den Keks für Milo, der eingepackt oben auf dem anderen Gebäck lag, und legte ihn vor den Jungen auf den Tisch.
»Der hier ist für dich, Milo. Ich hab ihn extra für dich gebacken«, sagte sie zu dem Kleinen. »Du bekommst ihn nach dem Essen.« Sie warf Amelia einen frostigen Blick zu; dann lächelte sie den Jungen, der neben seinem Vater saß, strahlend an. »Ich besuch dich morgen wieder, Milo«, versprach sie und zerzauste ihm die dunklen Locken. Dann stellte den Korb mit den Keksen auf den Tisch, sagte zu Evan: »Gute Nacht, signore« , und verließ das Haus.
Amelia fragte sich, was die Italienerin im Schilde führte. Sie traute ihr nicht und ärgerte sich, dass Evan so vertrauensselig war.
Nach dem Essen verteilte sie die Kekse an die Kinder. Da es noch eine Stunde hell sein würde, beschloss sie, in den Gemüsegarten zu gehen und Saatkartoffeln zu setzen. Ihre Hände sahen mittlerweile schlimm aus: Ständig hatte sie schwarze Ränder unter den Nägeln, und ihre Handflächen waren voller Schwielen. Amelia mochte sie gar nicht mehr anschauen.
Sie
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