Die Insel der roten Erde Roman
Lieblingsbrot gebacken, signore. Das hilft ihm bestimmt, wieder zu Kräften zu kommen.«
»Vielen Dank, Carlotta. Er hat heute keinen rechten Appetit. Vielleicht ändert sich das, wenn Sie ihm Ihr Brot vorsetzen.«
Carlotta lächelte erfreut. »Ich werde ihm gleich eine Scheibe aufschneiden.«
»Wir waschen uns nur die Hände, dann kommen wir nach«, sagte Evan. Der Duft des frisch gebackenen Brots hatte ihn daran erinnert, wie hungrig er war. Vor lauter Sorge um Milo hatte er noch nichts gefrühstückt.
Carlotta nickte. »Ist gut.«
Milo war schon wieder völlig verdreckt und stank entsetzlich. Carlotta rümpfte angewidert die Nase, als sie zum Haupthaus hinüberging. Auf Sauberkeit legte Evan anscheinend keinen großen Wert. Solche Männer konnte sie nicht ausstehen; deshalb achtete sie auch stets darauf, dass ihr eigener Mann gepflegt war. Gabriel rasierte sich zwar auch nicht täglich, trug aber wenigstens immer ein sauberes Hemd. Seit einigen Tagen allerdings rasierte er sich unregelmäßiger als zuvor; er war auch seltsam bedrückt und zog sich noch mehr zurück als sonst. Und die Augen der Zuchthäuslerin hatten ihren Glanz verloren. Irgendetwas musste zwischen den beiden vorgefallen sein. Carlotta frohlockte insgeheim. Dennoch bestand die Gefahr, dass sie sich wieder versöhnten, und dieses Risiko wollte sie nicht eingehen.
Amelia rubbelte Wäsche in einer großen Blechwanne, die neben dem Haus stand. Die Wanne war außen verrostet, und durch ein kleines Loch im Boden sickerte ständig Wasser, sodass Amelia immer wieder nachfüllen musste. Aber zum Wäschewaschen musste es reichen. Die neue Wanne, die Evan bestellt hatte, würde erst in ein paar Wochen kommen, wenn das Versorgungsschiff das nächste Mal anlegte. Ein Berg Schmutzwäsche türmte sich in einer kleineren Wanne daneben. Auch sie war durchgerostet und hatte faustgroße Löcher im Boden.
Bei sechs Kindern nahm die Wascherei kein Ende. Besonders Milo war ein kleiner Schmutzfink, weil er seinen Vater jedes Mal in den Schweinestall begleitete, wo er dann von den übermütigen Ferkeln umgeworfen wurde oder über sie fiel und in den Mist plumpste. Manchmal kam es Amelia so vor, als würde sie nichts als Wäsche waschen, sie aufhängen oder schnell von der Leine nehmen, wenn Regen aufzog. Sie hatte versucht, die Sachen der Kinder zu flicken, aber festgestellt, dass sie nur sticken, nicht nähen konnte. »Was willst du denn mit Sticken anfangen?«, hatte Evan genörgelt. »Du solltest lieber stopfen lernen, damit du die Kleidung der Kinder flicken kannst!« Er hatte es wieder einmal geschafft, dass sie sich nutzlos fühlte. Wenigstens hatten Sissie und Rose sie gebeten, ihnen zu zeigen, wie man stickt.
Als sie die Wäsche auf dem Waschbrett rubbelte, sah sie aus dem Augenwinkel Carlotta auf sich zukommen und stöhnte innerlich auf. »Die sollte sich lieber um ihren Mann kümmern, als andauernd hier herumzulungern«, murmelte sie vor sich hin. Sollte die Italienerin es ruhig hören! Es störte Amelia ungemein, dass Carlotta beinahe öfter auf der Farm war als daheim bei ihrem Mann.
Anscheinend hatte Carlotta tatsächlich gehört, was Amelia gesagt hatte, denn sie gab bissig zurück: »Jemand muss ja dafür sorgen, dass die Finnlays etwas Anständiges zu essen bekommen!«
»Warum gründen Sie keine eigene Familie, die Sie versorgen können?«
Ein leises Lächeln spielte um Carlottas Lippen. Das werde ich, verlass dich drauf, dachte sie. Aber mit dem jungen Leuchtturmwärter, nicht mit dem alten. Sie träumte davon, Gabriel zu verführen und ein Kind mit ihm zu haben. Dann würde Edgar sie freigeben müssen. Da Carlotta und ihr Mann draußen auf den Goldfeldern getraut worden waren, schien es unwahrscheinlich, dass die Eheschließung in irgendein Standesregister eingetragen worden war. Sie würde einfach mit Gabriel von Kangaroo Island fortgehen, sich auf dem Festland niederlassen und so tun, als wäre sie nie verheiratet gewesen. Und dann könnte sie Gabriel heiraten.
»Warum nehmen Sie nicht an dem Kochunterricht teil, den ich den Mädchen gebe?«, fragte Carlotta spitz.
»Ich habe weiß Gott Besseres zu tun«, giftete Amelia.
»O ja, das sehe ich!«, versetzte Carlotta spöttisch. Sich in den Hüften wiegend, ging sie weiter.
Als sie in die Küche kam, saß Sissie am Tisch. Das passte Carlotta überhaupt nicht. Keiner sollte sehen, was sie tat.
»Hallo, Kinder«, sagte sie, als die anderen hereinkamen. Sie nahm den Brotlaib aus dem Korb,
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