Die Insel der roten Erde Roman
ja, sie ist fast so schlimm wie Rosie! Ich kenne niemanden, der sich so über eine weiße Feder freut wie sie.«
»Eine weiße Feder? Von einer Möwe, meinst du?«
»Oh, sie kann auch von einem anderen weißen Vogel stammen, einer Taube oder einem Huhn, aber sie muss ihr vor die Füße fallen.«
»Vom Himmel?«
»Ja. Es reicht auch, wenn der Wind sie ihr vor die Füße weht. Betty glaubt fest daran, dass die Feder ihr Glück bringt.«
»Was du nicht sagst«, murmelte Sarah.
»Die Hühner sind in der Mauser.« Polly stieß mit der Forke in einen kleinen Haufen weißer Federn und seufzte. »Tja, mir scheinen sie kein Glück zu bringen. Aber Betty glaubt felsenfest daran.« Sie richtete sich auf, blickte Sarah ernst an und raunte ihr zu: »Sie hat mir erzählt, eine schwarze Feder bedeute den Tod desjenigen, der sie findet. Deshalb hat sie schreckliche Angst, ihr oder einem der Kinder könnte eine schwarze Feder vor die Füße flattern. Natürlich ist das Unsinn, aber ich bin trotzdem froh, dass man nicht so oft schwarze Federn zu sehen bekommt.«
»Da hast du sicher Recht.« Sarahs Verstand arbeitete auf Hochtouren. »Ich werde ein wenig spazieren gehen, Polly. Ich bin bald zurück.«
Polly nickte und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu.
Sarah spazierte zu Reeves Point hinüber. Pollys Worte gingen ihr nicht mehr aus dem Kopf. Mit aufmerksamen Blicken suchte Sarah die Bäume nach Krähen ab, den einzigen schwarzen Vögeln, die sie kannte. Vielleicht hatten sie irgendwo ein Nest, aus dem Federn gefallen waren. Einmal glaubte sie, sie hätte in der Ferne eine Krähe krächzen hören, doch es war so gut wie unmöglich, in den riesigen, dichten Eukalyptusbäumen einen Vogel zu erspähen. Bei Reeves Point setzte Sarah sich unter einem Baum ins Gras und ließ den Blick schweifen. Sie wartete eine ganze Weile, doch keine Krähe ließ sich blicken.
»Warum kann Betty nicht vor weißen Federn Angst haben?«, murrte sie, während sie den Möwen zuschaute. Sie dachte an die weißen Hühner der Ashbys. Weiße Federn würde sie zuhauf finden.
Der Wind frischte auf, und plötzlich regnete es von den Ästen über ihr kleine schwarze Samen auf sie herab. Einige fielen ihr in den Schoß. Als Sarah sie ärgerlich vom Rock klaubte, zerplatzten einige und färbten ihre Finger dunkel. Wütend zog sie ihr Taschentuch hervor und begann zu rubbeln, mit dem Ergebnis, dass jetzt nicht nur ihre Hände, sondern auch das Taschentuch fleckig war. Zornig sprang sie auf, eilte zum Ufer und suchte sich zwischen den Felsen eine Stelle, wo das Wasser tief genug war, dass sie sich die Hände darin waschen konnte. Doch die Farbe ging nicht ab. Mürrisch richtete Sarah sich auf und starrte ihre schwarzen Finger an. Dann hellte ihre Miene sich plötzlich auf, und ein zufriedenes Lächeln spielte um ihre Lippen.
Cape du Couedic
Als Gabriel sich ausgeruht und etwas gegessen hatte, ging er wieder zur Finnlay-Farm. Er hatte unruhig geschlafen, weil seine Gedanken ständig um seine Sarah kreisten. Wie abweisend sie geworden war! Wie sehr sie sich von ihm zurückgezogen hatte!
Es dauerte nicht lange, und Carlotta erschien auf der Farm. Sie ging in den Stall und versuchte, Gabriel, der mit der Forke hantierte, in eine Unterhaltung zu verwickeln. Gabriel ignorierte sie, so gut er konnte, bis es ihm zu bunt wurde. Die Forke in den Händen drehte er sich schwungvoll um und bewarf sie dabei »versehentlich« mit Mist. Carlotta verstand den Wink und zog sich schmollend ins Haus zurück. Gabriels Gleichgültigkeit ihr gegenüber versetzte sie immer wieder in schlechte Laune.
»Hallo, Mädchen«, sagte sie kurz angebunden, als sie das Haus betrat.
Sissie fegte den Fußboden, Amelia putzte das Zimmer der Kinder. Beim Klang von Carlottas Stimme stöhnte sie innerlich auf. Entschlossen ging sie in die Küche hinüber. Carlotta starrte sie feindselig an.
»Was wollen Sie hier?«, fragte Amelia schroff, denn ihr war ebenfalls nicht nach Liebenswürdigkeiten zumute.
»Für die bambini kochen.« Carlotta knallte ihren Korb auf den Tisch.
Das war natürlich nur ein Vorwand. Amelia durchschaute die Italienerin sofort. »Lassen Sie mich raten. Gabriel ist hier auf der Farm, wahrscheinlich bei den Schafen, habe ich Recht?«
Ohne sie zu beachten, wandte Carlotta sich an Rose und befahl ihr: »Geh Wasser holen. Ich werde euch etwas zu essen machen. Ihr habt doch bestimmt noch nichts im Magen.«
Amelia hielt Rose am Arm zurück. » Ich koche für die
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