Die Insel der roten Erde Roman
Zeitungsausschnitt gesucht und dann verbrannt, weil ich es nicht ertragen konnte, dieses Foto hier im Haus zu wissen! Ich wollte nicht an den schrecklichen Abend und diesen grässlichen Mann erinnert werden!«
»Pssst. Schon gut, mein Kind, wein doch nicht!« Edna war erleichtert, dass das Rätsel um den verschwundenen Zeitungsausschnitt gelöst war. Sie nahm Sarahs Gesicht in beide Hände und sah sie prüfend an. »Hast du Camilla oder Henry von dem Vorfall erzählt?«
»Nein.« Sarah ließ den Kopf hängen. »Ich habe mich zu sehr geschämt.«
»Du hast nichts getan, wofür du dich schämen müsstest, Amelia. Die Schuld liegt nicht bei dir.«
»Mr Huxwell sagte, das sei unser kleines Geheimnis. Mir würde ja doch niemand glauben, wenn ich jemandem davon erzählte, meinte er. Wir hatten immer eine besondere Beziehung zueinander … dachte ich jedenfalls. Für mich war er so etwas wie ein lieber Onkel.« Da Brian Huxwell ein enger Freund der Familie war, nahm Sarah an, die echte Amelia könnte ihn tatsächlich so gesehen haben. »Und dann so etwas. Es war ein Schock für mich … ich konnte einfach nicht glauben, dass er zu so etwas fähig war. Nach dem Tod meiner Eltern wurden seine Annäherungsversuche noch aufdringlicher. Und ich hatte keinen Menschen, dem ich mich hätte anvertrauen können!« Sie tupfte eine nicht vorhandene Träne aus dem Augenwinkel.
Edna war entsetzt. Langsam ging sie zum Bett und sank darauf nieder. Was ihr Mündel da erzählte, war ungeheuerlich. Und Brian Huxwells Verhalten war unentschuldbar.
Sarah, die gelauscht hatte, was draußen im Flur vor sich ging, verließ ihren Horchposten widerstrebend und setzte sich zu Edna. »Ich wollte es dir nicht erzählen, Tante. Ich finde es so demütigend! Du denkst jetzt bestimmt schlecht von mir …« Sie schlug die Hände vors Gesicht und schluchzte.
»Ist ja gut, mein armer Schatz!«, tröstete Edna und legte die Arme um sie. »Nicht weinen. Ich denke nicht schlecht von dir. Du kannst ja nichts dafür. Diesen Huxwell sollte man hinter Gitter bringen, damit er keine unschuldigen jungen Mädchen mehr belästigen kann!«
»Jetzt weißt du, warum ich ihm nicht gegenübertreten möchte, Tante. Ich ertrage seinen Anblick nicht! Nach außen hin ist er ganz Gentleman, aber ich weiß, was in seinem Innern vorgeht!«
»Keine Sorge, Liebes.« Zorn stieg in Edna auf. »Ich werde Charlton sagen, er soll ihn fortschicken.«
»Erzähl Onkel Charlton bitte nichts davon, Tante! Das wäre mir schrecklich peinlich. Ich könnte nicht länger in diesem Haus bleiben, und ich will doch nicht weg von euch!« In Wirklichkeit fürchtete sie, Charlton könnte Brian Huxwell zur Rede stellen, und dieser würde eine Gegenüberstellung verlangen, nachdem es ihm gelungen wäre, Charlton von seiner Unschuld zu überzeugen.
»Das braucht dir nicht peinlich zu sein, Amelia. Es gibt nichts, wofür du dich schämen müsstest. Aber ich verspreche dir, die Sache bleibt unter uns.«
Jetzt begriff Edna, weshalb das arme Ding so durcheinander war. Erst hatte sie ihre Familie verloren, dann war sie selbst beim Untergang der Gazelle mit knapper Not dem Tod entronnen, und zudem hatte sie die ganze Zeit auch noch die Last dieses schändlichen Vertrauensmissbrauchs durch einen Freund der Familie mit sich herumgetragen.
Edna erhob sich und ging zur Tür. »Ich sag dir Bescheid, sobald er fort ist.«
Sarah nickte. Als die Tür sich hinter Edna geschlossen hatte, ließ Sarah sich aufs Bett fallen und stieß einen hörbaren Seufzer der Erleichterung aus. Das war knapp gewesen!
Draußen im Flur winkte Edna ihren Mann zu sich. Brian, der sich sofort nach Amelia erkundigt hatte, hatte sich mit einer Tasse Tee zu den anderen Gästen gesellt.
»Wo ist Amelia?«, flüsterte Charlton.
»In ihrem Zimmer, und da wird sie auch bleiben.«
Das überraschte Charlton nicht, aber Brian würde sehr enttäuscht sein. Er hatte sich so viel von diesem Besuch erhofft.
»Ich möchte, dass du Brian Huxwell sagst, er soll verschwinden.«
Charlton starrte seine Frau verblüfft an. »Aber ich dachte …«
»Amelia hat mich ins Vertrauen gezogen. Sein Verhalten ihr gegenüber war verbrecherisch.«
»Und du glaubst ihr, Edna?«
»Ja. Der Vorfall erklärt ihr sonderbares Verhalten und die dramatische Veränderung ihres Wesens.«
Charlton sah ihr an, dass es sie mit Genugtuung erfüllte, endlich Klarheit erlangt zu haben.
Er nickte. »Gut. Dann werde ich ihn bitten zu
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