Die Insel der roten Erde Roman
Sie ist wundervoll! Danke!« Sie strahlte Lance an, und der lächelte zurück.
Von Olivia bekam sie ein Fläschchen Toilettenwasser mit Fliederduft, von Silvia einen Blumenstrauß und von Betty einen hübschen blauen Stein.
»Das ist ein Glücksstein, Missus. Ich habe ihn vor langer Zeit gefunden, weit weg von hier.« Betty hatte ihn auf dem Walkabout, der rituellen Wanderung der Aborigines, zum Schutz bei sich getragen. Sie hoffte, er würde sie und ihre Kinder vor der jungen Frau beschützen und sie zur Aufrichtigkeit anhalten. Doch das sagte sie natürlich nicht.
Jemand klopfte an die Vordertür. Edna warf Charlton einen erschrockenen Blick zu. Das konnte nur Brian Huxwell sein! Dabei hatte sie ihn erst in einer halben Stunde erwartet. Amelia sollte erst ihre Geschenke auspacken, bevor sie erfuhr, dass der Anwalt kommen würde. Jetzt machte er Ednas Plan zunichte.
»Servier bitte den Tee, Polly!«, sagte sie nervös, fasste ihr Mündel am Arm und flüsterte: »Das wird Brian Huxwell sein. Er sagte, er würde kurz vorbeischauen. Anscheinend hat er ein Dokument vergessen, das du unterschreiben musst. Es ist sehr wichtig …«
Sarah geriet in Panik. »Wie konntet ihr mir das antun?«, rief sie. Sie schaute Charlton, der ihnen in den Flur gefolgt war, anklagend an und flüchtete dann mit rasendem Herzklopfen in ihr Zimmer.
Edna eilte ihr nach. Charlton lächelte den verdutzten Gästen entschuldigend zu und ging zur Vordertür, um zu öffnen.
Sarah schwitzte Blut und Wasser. Sie hätte Charlton erwürgen können! Hatte er nicht versprochen, sie bräuchte Brian Huxwell nicht zu sehen? Hätte sie gewusst, was die beiden vorhatten, wäre sie erst wieder nach Hause gekommen, wenn der Anwalt auf der Rückfahrt nach Van-Diemens-Land gewesen wäre.
Sarah wollte die Tür hinter sich schließen, doch Edna schlüpfte rasch noch ins Zimmer. Dann warf Sarah die Tür zu und ließ sich schwer atmend dagegen fallen. Ihr falsches Spiel konnte jeden Moment entlarvt werden, und dann würde sie nach Van-Diemens-Land zurückgeschickt und wieder ins Zuchthaus gesteckt. Und ihr Betrug würde ihr sicherlich eine Verlängerung der Haftstrafe einbringen. Sie stellte sich Lance’ Reaktion vor, wenn er erfuhr, dass sie eine Zuchthäuslerin war. Ein heftiger Schmerz durchfuhr sie, als hätte man ihr ein Messer ins Herz gebohrt. Der Traum vom Wiedersehen mit ihrer Familie zerplatzte wie eine Seifenblase. Und dann das Erbe, das viele Geld! Sie hatte sich schon ausgemalt, was für ein sorgenfreies Leben sie führen und wie sie ihren Eltern helfen könnte. Stattdessen würde sie ihr Dasein weiterhin als Habenichts fristen müssen. Der Gedanke war unerträglich. Sie musste handeln, und zwar sofort.
»Amelia, du musst doch nur eine Minute höflich zu Brian sein«, sagte Edna flehentlich. »Das ist doch nicht zu viel verlangt.« Ihr Mündel war leichenblass geworden.
Eine Minute? Es würde nur eine Sekunde dauern, bis der Anwalt ihr auf die Schliche käme. »Ich kann nicht, Tante! Ich kann ihm nicht gegenübertreten. Er … er hat mich angefasst!«, brach es aus ihr hervor.
Edna stand da wie vom Donner gerührt. »Angefasst? Wie meinst du das?« Sie war entschlossen, sich nicht wieder mit irgendwelchen Ausflüchten abspeisen zu lassen.
Jetzt gab es für Sarah kein Zurück mehr. »Er hat mir immer geschmeichelt, wie attraktiv ich sei«, flüsterte sie mit Tränen in den Augen. »Und wir wissen beide, dass das nicht stimmt.«
Edna wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Die junge Frau war in der Tat von unscheinbarem Äußeren; Edna konnte ihr deshalb nicht widersprechen, ohne unaufrichtig zu sein. Merkwürdig. Hatte Brian sie nicht als attraktiv beschrieben? Offenbar begehrte er sie. Was für eine widerwärtige Vorstellung!
»Könnte es sich nicht um ein Missverständnis handeln, Amelia?«
»Er … er hat meine Brüste gestreichelt, Tante. Da gibt es nichts misszuverstehen.« Sarah senkte den Blick.
Edna schnappte nach Luft. »Aber das ist ja …! Wo war Camilla, als das geschehen ist?«
»Ich war mit Mr Huxwell im Garten draußen. Allein. Mutter und Vater waren im Haus. Es war an dem Abend, als der Debütantinnenball gefeiert wurde.« Sarah hatte blitzschnell erkannt, wie sie Ednas Vertrauen zurückgewinnen könnte. Edna war ihr seit dem Vorfall mit dem Zeitungsausschnitt mit leisem Misstrauen begegnet. Sarah begann zu schluchzen. »Es tut mir Leid, dass ich dich angelogen habe, Tante. Du hattest Recht. Ich habe den
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