Die Insel der roten Erde Roman
Geburtstag gratuliert haben.«
»Ob sie vergessen hat, was für ein Tag heute ist?«
»Kann ich mir nicht vorstellen. Sie hat das Datum doch bestimmt gesehen, als sie die Zeitung gelesen hat.«
Edna folgte Polly, als diese einen Eimer heißes Wasser in Sarahs Zimmer trug.
»Und nichts an deinen Haaren machen, hörst du? Ich werde dich nachher frisieren.«
»In Ordnung, Tante.« Sarah genoss es, verwöhnt und umsorgt zu werden. Sie musste dabei immer an die richtige Amelia denken und an das grauenvolle Leben, das diese jetzt führte. Aber das geschah ihr ganz recht. Der Gedanke an Amelias Elend steigerte Sarahs Hochgenuss nur noch.
Nach einer halben Stunde stieg Sarah aus der Wanne. Edna und Polly hatten in der Zwischenzeit alles für die Teeparty vorbereitet. Als Edna Sarah in ihrem Zimmer umhergehen hörte, wusste sie, dass ihr nicht mehr viel Zeit blieb. Sie warf einen Blick auf die Uhr.
»Unsere Gäste werden in einer knappen Stunde eintreffen, und ich muss Amelia noch die Haare machen.« Sie eilte zum Zimmer ihres Mündels und klopfte an. »Darf ich reinkommen?«
»Ja, Tante, komm nur.«
Sarah war im Begriff, in ein schlichtes Kleid zu schlüpfen. »Nein, nicht das, mein Kind!«, sagte Edna rasch und suchte nach einem Vorwand, sie dazu zu bewegen, etwas Schickeres anzuziehen. »Lance kommt heute Nachmittag herüber.«
»Wirklich?«, rief Sarah erfreut. Sie hatte ihn in den letzten Tagen nur ein einziges Mal gesehen. Er habe schrecklich viel zu tun, hatte er zu seiner Entschuldigung angeführt. Sarah war plötzlich furchtbar aufgeregt. Sie entschied sich für eines ihrer neuen Kleider und setzte sich dann, damit Edna ihr die Haare flechten konnte. Das war eine langwierige Prozedur, und das Stillhalten fiel ihr normalerweise schwer, aber jetzt träumte sie von dem bevorstehenden Wiedersehen mit Lance.
Um vier Uhr kamen Betty und die Kinder, gefolgt von Norma Barnes mit ihren beiden Sprösslingen sowie Silvia Strathborne. Polly bat alle, ganz leise zu sein, damit die Überraschung nicht verdorben wurde.
»Wo ist denn das Geburtstagskind?«, flüsterte Silvia. Selbst wenn sie leise sprach, hörte sie sich noch lehrerhaft an. Betty hielt sich im Hintergrund. Sie wollte keine Sekunde länger als unbedingt nötig in diesem Haus bleiben.
»Mrs Ashby macht ihr die Haare, aber sie kommt bestimmt gleich«, wisperte Polly.
Einige Minuten später traf Lance ein; er hatte Olivia mitgebracht. Alle hatten sich im Salon versammelt, als Edna mit ihrem Mündel hereinkam.
»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!«, riefen alle.
Sarah machte ein verdutztes Gesicht. »Ich habe doch gar nicht Geburtstag!« Ihr Geburtstag war im April.
»Aber natürlich!« Edna sah sie befremdet an. Wie konnte sie ihren eigenen Geburtstag vergessen! Camilla hatte doch immer behauptet, ihre Tochter bestehe darauf, dass dieser Anlass gebührend gefeiert wurde.
»Nein, mein Geburtstag ist …« Im April, hatte sie sagen wollen, doch dann dämmerte es ihr. Es war Amelia Divine, die Geburtstag hatte! »Oh, wie dumm von mir!«, sagte sie verwirrt. »Wir haben ja schon den zwölften November! Ich … ich dachte, wir hätten heute erst den elften!«
Edna lächelte. »Und wir haben uns schon gewundert, dass du nicht gekränkt warst, weil wir dir nicht gratuliert haben!«
»Oh, ich wäre sehr enttäuscht gewesen, wenn ihr nicht daran gedacht hättet«, sagte Sarah.
»Ich weiß, es ist auch ein trauriger Tag für dich, Amelia, weil deine Eltern und dein Bruder nicht mehr hier sind, um dieses Fest gemeinsam mit dir zu feiern. Ich hoffe, du wirst trotzdem ein bisschen Spaß haben.«
Sarah senkte den Kopf und setzte eine bedrückte Miene auf. Sie brauchte nicht einmal zu schauspielern: Dass Lance mit Olivia gekommen war, bekümmerte sie zutiefst. Immerhin reichte Lance ihr ein Geschenk, eine hübsch verpackte kleine Schachtel. Er gab ihr einen Kuss auf die Wange und wünschte ihr alles Gute zum Geburtstag. Sarah öffnete die Schachtel mit zitternden Fingern. Eine Perlenkette lag darin.
»Oh, Lance, sie ist wunderschön!«, sagte sie überschwänglich. Noch nie hatte sie etwas so Zauberhaftes gesehen.
»Du hast bestimmt viele wundervolle Halsketten«, erwiderte er ein wenig verlegen.
»Keine einzige!«
Lance blickte sie verwirrt an, und Sarah ärgerte sich über ihren Schnitzer. Die echte Amelia besaß selbstverständlich Schmuck!
»Ich meine, ich habe keine einzige hier«, fügte sie rasch hinzu. »Und so eine besitze ich gar nicht.
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