Die Insel Der Tausend Quellen
Räumlichkeiten in den Wirtschaftsgebäuden geben …
Am Ende des Tages standen Doug und Nora ein furchtbares gemeinsames Abendessen mit den Stevens durch – der Reverend hatte Ruth gezwungen, dazu aufzustehen und herunterzukommen. Nora hielt das nicht für klug, aber der Geistliche bestand darauf, das Leben müsse weitergehen.
»Gott gibt, und Gott nimmt!«, sagte er salbungsvoll. »Und sicher hatte er in seinem unerforschlichen Ratschluss Gründe, uns diesen Sohn zu nehmen. Wir müssen das mit der gleichen Würde tragen wie Abraham, als man von ihm forderte, Isaak zu opfern …«
Die völlig übermüdete Nora dachte an die Opfer bei der Obeah-Zeremonie und hätte fast gekichert. Sie brauchte unbedingt Ruhe, sonst würde sie auch noch zusammenbrechen. Zum Glück war es wenigstens der kleinen Mary am Morgen gut gegangen, wie Adwea berichtete. Nora fragte sich, ob sich Sally nach wie vor um sie kümmerte, sie hatte das Hausmädchen den ganzen Tag über nicht gesehen. Ruth und der Reverend hatten offensichtlich nicht nach ihrer Tochter gefragt, was immerhin eine Erleichterung bedeutete. Nora hätte sich nicht auch noch um ein Kind kümmern können, dessen Mutter hysterisch wurde, wenn schwarze Hände es berührten.
Elias kehrte in der Nacht tatsächlich nicht heim, und Nora – zu erschöpft, um zu schlafen, ein Zustand, den sie vorher nie für möglich gehalten hatte – haderte mit ihrem Entschluss, nicht zu Doug hinüberzugehen. Schließlich zwang sie sich, die Umarmung hinaufzubeschwören, die sie im Sturm geteilt hatten. Dieses Gefühl der Sicherheit … Bisher hatte es Nora stets getröstet, sich Simon in ihren Armen vorzustellen. Aber jetzt war sie es, die sich in ihren Träumen an eine starke Brust schmiegte …
Am nächsten Tag reisten die Stevens endlich ab, Mary zwischen sich auf dem Bock ihres Wagens, den kleinen Sam in Tücher gewickelt hinten auf der Ladefläche. Ruth hatte sich zunächst nicht von ihm trennen wollen, aber der Reverend hatte erneut ein Machtwort gesprochen. Nora empfand Mitgefühl mit der jungen Frau. Ruth Stevens war ihrem Mann treu und brav um die halbe Welt gefolgt. Aber nun ließ er sie allein mit ihrer unendlichen Trauer. Nora fragte sich, wie ein Mann der Kirche so wenig einfühlsam sein konnte.
Das Wasser war weiter abgelaufen, aber mit Neubauten des Sklavenquartiers konnte mangels Entscheidung über den Bauplatz noch nicht begonnen werden. Die Aufseher gingen deshalb zur Tagesordnung über und trieben die Sklaven auf die Felder.
Elias kehrte am Nachmittag heim und war deutlich besserer Stimmung. Hollister hatte sich bereiterklärt, ihm drei seiner eigenen Sklaven und zwei Ochsen abzutreten und außerdem mit einem Geldbetrag für die Schäden geradezustehen.
»Drei sind natürlich nicht annähernd genug«, zeterte Elias beim Dinner, »aber er meinte, mehr könne er nicht entbehren. Also werden wir welche vom nächsten Schiff brauchen, die wir dann erst mal wieder anlernen müssen. Es ist ein Kreuz!«
Nora hoffte, dass Hollister wenigstens junge, ungebundene Männer schickte und nicht womöglich solche, die auf seiner Plantage mit Frauen und Kindern zusammenlebten. Sie verbot sich den Gedanken an Familienväter. Aber wahrscheinlich gab es da ohnehin noch einiges Hin und Her. Garantiert würde Elias mit der Auswahl von Hollister nicht einverstanden sein, und womöglich würden noch mehrmals Sklaven aus ihrem Heim herausgerissen, zurückgeschickt und durch andere ersetzt werden.
Immerhin löste Elias die Tafel an diesem Abend selbst früh auf. Er hatte am Abend zuvor zweifellos hart mit Hollister gezecht und brauchte nun Schlaf. Doug und Nora trafen sich kurz auf der Treppe, aber sie drückten einander nur rasch die Hände. Noch war zu viel Personal auf den Fluren unterwegs – Adwea räumte ab, Elias’ Leibsklave brachte Waschwasser, Máanu erwartete Nora. Sie konnten sich nicht gefahrlos umarmen.
»Er hat dem Bauplatz für das neue Sklavenquartier zugestimmt!«, wisperte Doug Nora nur kurz zu. »Morgen beginnen sie mit der Rodung und dem Umlegen dieses Zuckerrohrfeldes. Du hast das hervorragend hinbekommen – mit mir hätte er sich endlos gestritten.«
»Du gehst es falsch an«, begann Nora eine Erklärung, aber dann trat Elias’ Diener in den Flur, und die beiden mussten sich trennen.
»Gute Nacht, Nora!«, flüsterte Doug. Es klang wie ein Kosewort.
»Gute Nacht, Doug«, sagte sie sanft und wunderte sich darüber, wie weich und zärtlich ihre Stimme plötzlich
Weitere Kostenlose Bücher