Die Insel Der Tausend Quellen
erste Schritt hin zu einem daneben angelegten neuen Dorf. Doug und Nora sahen einander aufatmend an.
»Direkt neben dem Tierfriedhof, Missis, ja?«, bemerkte dagegen Máanu, als Nora sie von der Entscheidung des Backras in Kenntnis setzte.
Nora hatte zum ersten Mal in ihrem Leben den Wunsch, eine Dienerin zu schlagen.
Der Reverend hielt schließlich seinen Trauergottesdienst, während sich Nora um die schluchzende Ruth kümmerte. Die Männer, die das tote Kind suchen sollten, waren noch nicht zurück; Nora hoffte, dass es wenigstens keine engen Freunde der Verstorbenen waren, die der Feier gern beigewohnt hätten. Aber vielleicht würde Kwadwo ja ohnehin noch eine eigene, heimliche Zeremonie abhalten. Der Obeah-Mann gehörte zum Suchtrupp – und tatsächlich war er es, der das tote Baby am frühen Nachmittag fand. Nora fragte nicht, ob mit oder ohne Hilfe der Geister.
Ruth brach beim Anblick der kleinen Leiche erneut zusammen, an eine Heimfahrt an diesem Tag war nicht zu denken. Der Reverend zog sich mit ihr zurück, um zu beten, nachdem Nora sie erneut mit Johanniskrauttee und beruhigendem Cascarilla-Sirup versorgt hatte. Danach kümmerte sie sich um die zum Glück durchweg leichten Verletzungen, die einige der Sklaven bei ihrem Kampf gegen die Fluten erlitten hatten. Nur Akwasi hatte schwere Prellungen – er hatte sich an einem Baum festgeklammert, gegen den der Wind dann einen anderen geschleudert hatte. Nora schickte Máanu, ihn mit Kampfer und Heilsalben einzureiben, woraufhin beide sie ansahen, als mute sie ihnen eine gegenseitige Auspeitschung zu. Nora fragte sich nicht zum ersten Mal, was zwischen den beiden geschehen war und ob womöglich ihr Erlebnis mit Akwasi in der Obeah-Nacht damit zu tun haben konnte. Aber Akwasi konnte nicht so verrückt gewesen sein, es der Zofe zu erzählen! Und dass Máanu es anderweitig erfahren hatte, schloss sie aus.
Doug organisierte inzwischen die vorläufige Unterbringung der Sklaven. Egal, wo man neu baute, zunächst mussten sie irgendwo unterkommen, zumal es schon wieder anhaltend regnete. Schließlich erklärte er Teile der Ställe und die Scheune bei den Wirtschaftsgebäuden zu Notunterkünften – immer auf die Gefahr hin, dass sein Vater am Abend jede Entscheidung widerrufen würde. Elias war nicht anwesend, er war gleich nach der Trauerfeier nach Kingston geritten, um »sich Hollister vorzunehmen«.
»Es kann sein, dass er heute nicht mehr zurückkommt«, sagte Doug wie beiläufig zu Nora, als sie mittags gemeinsam mit den Sklaven Eintopf löffelten. Auch eine vorläufige Sklavenküche würde organisiert werden müssen. Vorerst kochten Adwea und die Köche des Sklavenquartiers in den Wirtschaftsräumen des Hauses, aber der Küchengarten war zu klein für zweihundertfünfzig zu verköstigende Menschen. »Die Straße nach Kingston ist mit ziemlicher Sicherheit teilweise überflutet, wenn nicht weggebrochen.«
Nora errötete. Sie sah seinen Blick und die Frage zwischen den Worten.
»Aber dann sollte Elias doch umkehren«, meinte sie unschlüssig. »Und außerdem … Wir haben nach wie vor die Stevens im Haus … und in der Küche schlafen die Schwarzen. Ich kann nicht …«
Sie wusste nicht, ob sie nicht konnte oder nicht wollte, aber ganz sicher war sie an diesem Tag auch zu erschöpft, um irgendeine Entscheidung zu treffen. Natürlich dachte sie an Doug … andauernd, obwohl sie es nicht wollte. Aber wenn sie ihrem Verlangen wirklich nachgab – wenn sie zugab, dass sie begonnen hatte, ihn zu lieben –, dann würde das Konsequenzen haben, die niemand abschätzen konnte. Und überhaupt … Wenn sie sich ihm hingab, so wäre es eine Hochzeitsnacht. Und das sollte nicht so geschehen, nicht verstohlen und heimlich und voller Angst.
Nora dachte erneut an die Träume, die sie mit Simon geteilt hatte. Die Hütte am Strand … Und auch sein Geist hatte sie noch nicht freigegeben.
Doug nickte ergeben. Vielleicht hätte er noch weiter versucht, sie zu überzeugen, aber eben näherte sich McAllister mit neuen Problemen. Die Häuser der Aufseher am Rande der Sklavensiedlung waren natürlich auch weggeschwemmt worden. Und seine Männer, so erklärte ihr Vormann McAllister, schliefen auf keinen Fall gemeinsam mit den Sklaven in irgendwelchen Scheunen. Sie würden damit schließlich riskieren, im Schlaf ermordet zu werden. Entweder müsste man sie im Haus unterbringen oder andere Lösungen schaffen.
Doug nahm sich schließlich der Sache an. Es musste geeignete
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