Die Insel Der Tausend Quellen
war schwanger, und gestern kam Kind. Ihr Mann holen Nanny und sie … auch gekommen.«
Mansah verzog drollig das Gesicht, wie immer, wenn sie sich um richtiges Englisch bemühte, aber Nora konnte sich an diesem Tag nicht daran erfreuen. Sie erinnerte sich an Pretty, eine wunderschöne junge Frau, die ihrem Namen alle Ehre machte.
»Aber nicht konnte helfen. Máanu …«
»Was hatte denn Máanu damit zu tun?«, fragte Nora alarmiert.
»Máanu hat versucht, Kind in Pretty zu drehen«, gab Mansah Auskunft. »Wie machen Missis. Aber ging nicht …«
Nora schob ihr Haar aus dem Gesicht. Es hatte sich schon wieder unter dem Tuch gelöst, das sie neuerdings turbanartig darumschlug, wie es einige der schwarzen Frauen taten. Allerdings war sie darin noch nicht sehr geschickt. Im Gegensatz zur Geburtshilfe. Der Griff zum Drehen des Kindes bei einer Fehllage war eigentlich nicht schwierig, die Baarm Madda der Keensleys hatte ihn Nora gezeigt, und Máanu hatte dabei zugesehen. Aber Máanu selbst hatte ihn nie ausgeführt. Sie half bei der Krankenpflege, hatte aber keinerlei Ambitionen, zur Baarm Madda zu werden. Und nun war ihr Pretty unter den Händen gestorben.
»Deine Schwester ist aber nicht auf die Idee gekommen, mich zu holen?«, fragte Nora bitter.
Mansah schüttelte den Kopf. »Hinterher ihr tat leid. Sie hat gesagt, sie hätte tun sollen. Aber wollte nicht … wollte nicht … ganz schweres Wort, Missis, irgendwas mit Brüste. Sie wollte nicht brüsten Nanny.«
»Brüskieren, Mansah«, berichtigte Nora müde. »Wahrscheinlich wollte sie Nanny nicht brüskieren. Das hat mit Brüsten nichts zu tun, es bedeutet eher, jemanden nicht ärgerlich zu machen. Und zweifellos lag ihr auch nicht daran, die Queen wissen zu lassen, dass die weiße Sklavin zu irgendetwas nützlich ist. Dafür musste nun Pretty sterben … Máanu wird irgendwann ersticken an ihrem Hass.«
KAPITEL 5
S ie werden darüber hinwegkommen.«
Doug Fortnam hatte die Worte unendlich oft gehört – vom Reverend, von seinen Freunden und Nachbarn, sogar von den Sklaven auf Cascarilla Gardens.
Besonders die Damen in Kingston und Spanish Town äußerten immer wieder Besorgnis über seine anhaltende Trauer – und bei der Gelegenheit auch gleich über seine Wohnung, wenn sie ihn besuchten. Das taten sie oft, schließlich gab es Töchter, jüngere Schwestern und Kusinen, die sie gern mit dem jungen Erben einer großen Plantage verheiratet hätten. Und Doug selbst begab sich fast nie mehr unter Menschen, seit »das Unglück sein Haus getroffen hatte« – ein Ausdruck, den die Damen gern für den Überfall der Maroons benutzten, wohl weil er ihnen weniger bedrohlich erschien und ihre eigene Sicherheit weniger in Frage stellte. Schließlich machte der Gouverneur keine Anstalten, die Nester der Maroons in den Blue Mountains auszuräuchern. Er hatte sich dort zwischen 1729 und 1734 oft genug eine blutige Nase geholt. Jetzt setzte er eher auf Verhandlungen – und versuchte, Rückschläge wie den Überfall auf Cascarilla Gardens möglichst zu ignorieren.
»Wann bauen Sie endlich Ihr Haus wieder auf ?«, fragte Lady Hollister vorwurfsvoll. Sie war vorbeigekommen, um Doug zum Frühjahrsball einzuladen. Nun saß sie sichtlich nervös auf einem der schlichten Stühle, mit denen er seine Wohnung in dem früheren Aufseherhaus möbliert hatte. Die Nähe der Sklavenquartiere war ihr sichtlich unangenehm. »Ihr … Ihr Unglück ist jetzt doch über ein Jahr her, Sie müssen langsam darüber hinwegkommen.«
Doug versuchte, sich zu einem Lächeln zu zwingen. »Über manche Dinge kommt man nicht so leicht hinweg«, murmelte er, doch dann fasste er sich. »Aber den Hausbau werde ich nun wirklich in Angriff nehmen. Ich plane einen Neubau, weniger im Stil eines englischen Landhauses als in dem Ihres Hauses in Kingston.«
Lady Hollister strahlte. »Das ist eine gute Idee!«, erklärte sie erfreut.
Ihre Nichte, eben aus einem englischen Internat nach Jamaika zurückgekehrt, hatte schließlich bereits geäußert, dass sie auf keinen Fall in einem protzigen Steinkasten leben wollte. Der verspielte Stil der Kolonialarchitektur gefiel der jungen Lucille sehr viel besser. »Wir könnten Ihnen da einen Architekten empfehlen.«
Doug nickte, lächelte und ließ die Dame plaudern. Er hatte im Grunde wenig Interesse an einem Neubau, aber er sah ein, dass er auf Dauer Zugeständnisse machen musste. Er konnte sich nicht vollständig außerhalb der Gesellschaft von Kingston stellen,
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