Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Insel Der Tausend Quellen

Die Insel Der Tausend Quellen

Titel: Die Insel Der Tausend Quellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
Vom Netzwerk:
zwar Kräutergärten in Nanny Town, aber wenn sie Heilkräuter enthielten, so fast nur solche, die Nora nicht kannte. Das Wissen darüber musste aus Afrika, nicht aus Europa nach Jamaika gekommen sein.
    Nun gab es Wildpflanzen wie Aloe Vera, die sich auf Cascarilla Gardens an jeder Ecke gefunden hatten und die sich sehr gut zur Erstellung von Wundsalbe eigneten. Aber direkt in Nanny Town wuchsen sie nicht, und Akwasi hätte Nora niemals gestattet, die Siedlung zu verlassen, um danach zu suchen. Schließlich nahm sie allen Mut zusammen und fragte die anderen Frauen nach einer Baarm Madda – erzielte damit aber nur weiteren Argwohn.
    »Was ist, weiße Frau, bist du schwanger? Willst du womöglich kein Kind? Aber das hilft dir nichts, das hat mir auch nichts geholfen!«
    Julie, eine der älteren verheirateten Frauen, die sehr gut Englisch sprach, blitzte Nora voller Wut an. Nora fragte sich, was der Grund dafür war. Sie hatte nichts getan, um Julie zu erzürnen. Aber Julie schien erzählen zu wollen.
    »Mein Backra hat mich auf sein Lager gezerrt, und ich wollt’s loswerden!«, spie sie ihr entgegen. »Aber die Missis wollte Sklavenkinder. Sie hat mich erwischt und auspeitschen lassen. Und dann hielten sie mich angekettet, bis das Kind geboren war. Leider war’s hell, fast weiß, man sah sofort, wer’s mir gemacht hatte. Da hat sie’s weggenommen … Hab nie wieder was davon gehört …«
    Nora war erschüttert, aber Julie erzählte ganz nüchtern. Sie hatte offensichtlich keine Tränen mehr. Und ganz sicher kein Mitleid mit den Nöten einer weißen Frau …
    Schließlich war es Mansah, die Nora aus der Klemme half, indem sie Nanny um eine Salbe für eine kleine Verletzung bat. Máanu hielt sich immer noch oft in Gesellschaft der Queen auf, und so sah auch Mansah sie häufig, obwohl sich beide offensichtlich nicht mochten. Nanny missbilligte, dass Mansah immer noch viel weinte und trauerte. Sie warf Máanu vor, ihre Schwester zu verweichlichen.
    »Schick das Mädchen aufs Feld, es soll arbeiten, dann hört’s auch auf zu flennen!«, sagte die Ashanti hart.
    In ihrem Volk erzog man die Männer und Frauen von klein auf zum stolzen und stoischen Ertragen von Misslichkeiten. Máanu dagegen war mit der Einteilung in Feld-und Haussklaven großgeworden. Mansah aufs Feld zu schicken bedeutete für sie, das Mädchen zu erniedrigen. Dennoch fügte sie sich schließlich der Queen, und Mansah weinte bittere Tränen – obwohl die Feldarbeit der Frauen von Nanny Town nicht im Entferntesten mit der Plackerei auf den Zuckerrohrfeldern der Pflanzer zu vergleichen war. Wenn man nicht gerade die verachtete, geschundene weiße Sklavin war, machte das Pflanzen und Ernten von Gemüse und Getreide sogar Spaß. Die Frauen sangen dabei und erzählten sich Geschichten, sie machten häufig Pausen und plauderten miteinander. Die meisten Kinder der Siedlung beteiligten sich ganz freiwillig, halfen ein bisschen, spielten zwischen den Beeten oder bastelten sich Spielzeug aus Holz und Gartenabfall.
    Mansah schwang trotz ihrer Verzweiflung verbissen die Hacke. Die Kleine war niemals ein unbeschwertes Kind gewesen, sondern von klein auf eine Sklavin, die nur geduldet wurde, wenn sie sich nützlich machte. Sie dauerte Nora. Bisher hatte sie nie über die kleinen Haussklaven nachgedacht, ebenso wenig wie über die Küchenmädchen in England. Aber jetzt wurde ihr klar, wie anders für Mansah, Sally und ehemals Máanu alles gewesen war. Wenn englische Küchenhilfen nicht spurten, verloren sie schlimmstenfalls ihren Job. Mansah und den anderen Sklavenkindern drohte der Verkauf auf die Felder.
    Immerhin sprachen die Menschen von Nanny Town mit Mansah, und Nora konnte sich ihrer Hilfe versichern, nach einer Baarm Madda zu fragen. Das Mädchen brachte ihr daraufhin die Salbe von Queen Nanny.
    »Sie hier kein Baarm Maddas haben«, berichtete sie unglücklich. »Nur Nanny, die das kann aus Afrika …«
    Nora schnupperte misstrauisch an dem Tiegel Salbe. Das Gemisch roch merkwürdig, und auch die braune Farbe und lehmige Konsistenz wirkten wenig vertraut und vertrauenerweckend. Zumal auch Mansahs nächste Worte an Nannys Kompetenz als Kräuterfrau zweifeln ließen.
    »Aber weiß nicht, ob gute Medizin. Letzte Nacht in Hütte neben uns …«
    »In der Hütte neben uns …«, berichtigte Nora.
    »In der Hütte neben uns gestern ist Frau gestorben«, führte Mansah aus, und Nora war zu erschrocken, um sie zu korrigieren. »Pretty. Sie schwanger … äh …

Weitere Kostenlose Bücher