Die Insel Der Tausend Quellen
mich zwingt, ein Kind in eine feindliche Welt zu gebären, dann werde ich ihm den Weg hindurchweisen. Und wenn es sein muss, dann nehm ich mir ein Messer und schlag ihn frei für mein Kind! Egal, wer sich mir dabei querstellt. Und jetzt lass mich gehen. Mir ist heiß, und mir ist übel. Das geht Schwangeren oft so, wenn man sie in den Bauch schlägt. Mit ein bisschen Glück, Akwasi, hast du dein Kind gerade umgebracht.«
Nora wandte sich ab und verließ hocherhobenen Hauptes das Feuer. Akwasi und Máanu starrten ihr nach, aber niemand hielt sie auf.
Máanu konnte nicht umhin, eine gewisse Bewunderung für ihre frühere Herrin zu empfinden. Diese Weiße hatte Würde! Máanu wurde bewusst, dass sie nicht stolz auf ihre Handlungen war. Nora Fortnam hatte niemals eine der Frauen verraten, denen sie nach einer Abtreibung auf Cascarilla Gardens beigestanden hatte – und in der letzten Zeit auf der Plantage hatte sie zweifellos genug Erfahrung gehabt, um eine schwangere Frau als solche zu erkennen. Sie hätte Elias davon in Kenntnis setzen können, wenn eine seiner Sklavinnen ein Kind im Bauch hatte – aber sie hatte es nie getan. Nora trug natürlich auch keinerlei Schuld am Schicksal von Akwasis Mutter. Sie dafür zu bestrafen war Unsinn.
Máanu hatte denn auch mit sich gerungen, bevor sie Akwasi von ihrem Verdacht gegenüber Nora erzählte. Und Nora hatte Recht: Máanu schadete sich selbst damit. In den letzten Wochen war sie Akwasi nähergekommen als jemals auf Cascarilla Gardens. Dort war sie immer die Haussklavin gewesen, er der verachtete Feldsklave. Hier aber waren beide die hochgeschätzten Ratgeber der Queen – fähig der von den Afrikanern als magisch empfundenen Künste des Lesens und Schreibens. Es wäre nur logisch gewesen, wenn sich Máanu und Akwasi irgendwann zusammengefunden hätten, reich beschenkt von Nanny und Quao. Und obendrein meinte Máanu zu beobachten, dass Noras Anziehungskraft auf Akwasi nachließ. Sie wusste nicht, ob da ein Zauber verblasste – oder eine ganz diesseitige Leidenschaft, jahrelang genährt durch ihre Unerfüllbarkeit.
Nora selbst schien Akwasi auch nicht mehr zu begehren, schon auf Cascarilla Gardens hatte sie mit Doug Fortnam getändelt. Wahrscheinlich war sie einfach eine dieser Frauen, die jeden Mann nur ein-oder zweimal im Bett wollte und seiner dann schnell überdrüssig wurde. Zweifellos eine Hure, zweifellos von Reiz für einen ehemaligen Sklaven. Aber auf Dauer keine Konkurrenz für eine Frau wie Máanu. Doch jetzt hatte sie ihr zu einer gesicherten Stellung verholfen. Máanu wusste, dass das, was sie tat, verrückt war, aber sie konnte nicht anders: Nora hatte ihr Akwasi gestohlen, hatte ihren Zauber für sich genutzt, ihr Vertrauen missbraucht … Die junge Frau verspürte immer noch rasende Wut, wenn sie nur an Nora Fortnam dachte. Sie wollte die Weiße verletzen, ihr Leben zerstören, wie sie selbst Máanu die Träume geraubt hatte. Denn auch, wenn es ihr jetzt noch gelang, Akwasi für sich zu gewinnen – ihr Traum von der großen, wirklichen Liebe war zerstört.
Was Máanu nicht hinderte, ihre Pläne weiterzuverfolgen. Während Akwasi Nora nachsah, griff sie gelassen nach einem Stück Fladenbrot und tunkte es in den Auflauf, der immer noch über dem Feuer brodelte.
»Du wirst also Vater, Akwasi«, sagte sie.
Akwasi nickte benommen. »Ich schulde dir etwas«, bemerkte er deutlich unwillig.
Máanu nickte. »Ja«, stimmte sie ihm gelassen zu. »Du schuldest mir ein Kind.«
Akwasi wollte auffahren, aber Máanus offensichtliche Gelassenheit ließ ihn innehalten. Die junge Frau kaute ohne jede Regung an ihrem Brot.
»Was soll das heißen?«, fragte er dann rau. »Du willst das Kind der weißen Frau?«
Nora schüttelte den Kopf. »Was soll ich mit ihrem Bastard?«, meinte sie mit schiefem Lächeln. »Sie hat Recht, das Kind wird niemandem jemals Ehre machen. Ich will ein eigenes Kind, Akwasi. Den Sohn eines Häuptlings, ein Kind, das zu Füßen der Queen spielt, das sie Granny nennt … Granny Nanny, falls es dir noch nicht aufgefallen ist, hat keine Erben.«
Akwasi dachte nach. »Aber dazu müsste ich dich zur Frau nehmen«, überlegte er.
Máanu zuckte die Schultern. »Was hindert dich?«, fragte sie.
Er runzelte die Stirn. »Na ja … Nora … Sie wird … sie hat das Recht, die Queen wird darauf bestehen, dass ich sie …«
Máanu richtete ihren festen Blick auf ihn. »Bist du Christ, Akwasi?«, fragte sie.
Akwasi blitzte sie an. »Natürlich nicht!
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