Die Insel Der Tausend Quellen
energisch in die Hütte.
Sie hatte sich vor Máanus Hass gefürchtet, aber Tolo ängstigte sie nicht. Die alte Frau ließ sie auch ohne Zögern ein.
»Ich hab sie beschnitten, wie es bei unserem Volk üblich ist«, gab sie mit düsterem Gesichtsausdruck Auskunft. »Ich habe ihr gesagt, dass es nicht sein muss. Sie ist längst eine Frau, darüber gibt es keinen Zweifel. Sie hat Kinder empfangen … wenn auch nicht ausgetragen. Und man macht es sonst ja auch viel früher, eher in ihrem Alter.« Sie wies auf Mansah, die sich wimmernd hinter Nora versteckte.
»Man macht was?«, Nora verstand nicht.
Sie näherte sich jetzt Máanus Lager und sah, dass die junge Frau ruhig atmete. Allerdings entdeckte sie Blutflecken auf der Decke. Ohne weiter zu fragen, hob sie diese an – und sah ein dickes Polster aus Blättern und Verbänden zwischen Máanus Beinen.
»Sie war doch nicht schwanger«, sagte sie verständnislos. Bisher hatte sie so etwas nur bei Frauen gesehen, die kurz zuvor eine Baarm Madda aufgesucht hatten, um ein Kind in sich zu töten.
Tolo schüttelte den Kopf. »Nein, natürlich nicht. Und ich hab auch nicht viel abgeschnitten. Nur das Allernötigste. Weil sie’s ja unbedingt wollte …«
Plötzlich erinnerte Nora sich. Einige Sklavinnen, die sie auf Cascarilla Gardens beim Baden beobachtet hatte, waren zwischen den Beinen verstümmelt, manche mehr, manche weniger. Macht man, wenn Mädchen groß wird, hatte eine von ihnen ihr einmal erklärt. Adwea hatte sich deutlicher ausgedrückt, als Nora die Narben an ihr entdeckte. Ist Zeichen, dass ich erwachsene Frau, hatte sie erklärt. Nora hatte dann nicht weiter gefragt. Aber die Frauen taten ihr leid. Schließlich waren doch genau das die Stellen, an denen es prickelte und von denen die Lust und die Freude auszugehen schien, wenn ein Mann sich anschickte, eine Frau zu lieben.
»Aber das ist … Warum zum Teufel sollte sie so was gewollt haben?«
Nora blickte hilflos zwischen Máanu und Tolo hin und her. Mansah ließ sich neben Máanu nieder und weinte leise.
»Es ist Brauch bei den Dogon«, gab Tolo Auskunft. »Es heißt, jeder Mensch werde als Mann und Frau geboren. Und damit sie ganz würden, müsste man dem Mann die weiblichen und der Frau die männlichen Teile abschneiden, wenn sie erwachsen werden.«
Nora griff sich an die Stirn. »Aber das ist Unsinn!«
Tolo zuckte die Schultern. »Das hat die Queen ihr auch gesagt, die Ashanti machen es nicht und kriegen trotzdem Kinder.«
Die sie dann abtrieben … Nora fühlte Schwindel in sich aufkommen. Sie schien in einer völlig verrückten Welt zu leben! Aber sie erinnerte sich jetzt, nie eine beschnittene Frau nach einer Abtreibung betreut zu haben. Nur die stolzen, kriegerischen Ashanti weigerten sich, in der Sklaverei Kinder zu gebären. Die sanfteren Dogon töteten ihren Nachwuchs nicht.
»Aber Akwasi ist Ashanti!«, wandte Nora ein. »Wieso unterstützt er das?«
Tolo zog die Brauen hoch. »Akwasi ist im Inneren weiß«, sagte sie abwertend. »Ich hab’s dir schon gesagt. Der will keine Queen, der will ein braves Christenmädchen, das nur ihm zu Willen ist und selbst keine Freude an der Liebe hat. Dann betrügt sie ihn nämlich auch nicht. Und das ist seine größte Angst. Also zeig ihm nie, wenn du Geschmack dran findest, weiße Frau. Sonst zwingt er dich auch noch, das zu tun.« Sie wies auf Máanu und deckte sie sanft wieder zu.
Nora seufzte. So weit kannte sie Akwasi bereits. Und sie konnte keine Genugtuung dabei fühlen, dass auch Máanu ihre Hochzeitsnacht kaum genießen würde.
KAPITEL 7
M áanu saß ihrer Hochzeitszeremonie am nächsten Tag mit bleichem Gesicht vor. Sie nahm breitbeinig Platz auf dem Hocker, den Akwasi ihr traditionell schenkte, und als es darum ging, die vielen anderen Geschenke in ihre Hütte zu tragen, brauchte sie Hilfe. Am Morgen nach der Hochzeit ließ sie sich nicht blicken, Mansah berichtete besorgt, sie könne nicht aufstehen. Nora wunderte das nicht, zweifellos war die Nacht mit Akwasi furchtbar gewesen. Tolo versicherte allerdings, es bestünde keine Gefahr für Leib und Leben.
»Ich hab wirklich nicht viel abgeschnitten, nur gerade so viel, dass sie zufrieden waren – sie und er. Sie kann auch noch was fühlen, nur jetzt hat sie natürlich noch keine Freude an ihrem Mann, da sind ja noch offene Wunden. Wie gesagt, man macht es sonst viel, viel früher, lange bevor die Frau zum ersten Mal berührt wird.«
Tolo warf Mansah einen fragenden Blick zu, aber die
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