Die Insel Der Tausend Quellen
Akwasi. Wir stehen hier heute als zwei freie Männer. Wir könnten um sie kämpfen …«
Akwasi lachte wieder. »Du schlägst einen Zweikampf vor?«
»Unter weißen Gentlemen nennt man das ein Duell«, meinte Doug. »Und ja, ich würde mit dir kämpfen. Du kannst die Waffen wählen.«
Nora schüttelte den Kopf. Akwasi war größer und schwerer als Doug, er überragte ihn um Haupteslänge. Und er trainierte den Kampf mit den traditionellen Waffen seines Volkes seit Jahren. Mit Wurfspeer und Messer würde er Doug mühelos töten. Aber Akwasi war auch nicht bereit, sich darauf einzulassen.
»O nein, Backra, damit köderst du mich nicht. Ich bin kein Gentleman – du brauchst mir nicht zu schmeicheln. Wenn überhaupt hochwohlgeboren, dann vielleicht irgendwann der King …« Die Männer hinter ihm raunten, erstaunt, vielleicht erschrocken. »Und du, mein Freund, bist auch nicht mehr der Backra. Ich nehme dich hiermit gefangen, und damit bist du nicht mehr als ein Sklave. Das ist ein uralter Brauch überall in Afrika, ob schwarz, ob weiß!« Er grinste. »Und sie ist sowieso meine Sklavin …« Er wies auf Nora. »Was steht noch gleich auf Flucht, meine Liebe? Für Frauen siebzig Peitschenhiebe, nicht?«
Nora blitzte ihn an. »Das wagst du nicht! Ich bin deine Frau, Akwasi!«
»Auf einmal?«, höhnte Akwasi. »Aber gut, wir können uns auch über Steinigung unterhalten. Das hat Zeit. Erst bringen wir den Gefangenen ins Dorf. Ich könnte mir vorstellen, dass da viele Leute sind, die Lust haben, sich schadlos zu halten an einem weißen Backra!«
Mit einer raschen Bewegung seines Speers schlug Akwasi Doug den Säbel aus der Hand. Der Angriff war so überraschend gekommen, dass er nichts dagegensetzte. Die anderen Schwarzen ergriffen ihn sogleich und rissen ihm die Arme auf den Rücken.
»Fesselt ihn!«, befahl Akwasi. »Und das Weib und die Hexe.« Er wies auf Tolos Hütte. »Die hat ihnen geholfen, sie muss ebenfalls bestraft werden. Wir bringen sie alle nach Nanny Town.«
»Papa …« Ein dünnes Stimmchen war auf einmal zu vernehmen. Dede hatte den Auftritt ihres Vaters als grimmiger Krieger fassungslos mitangesehen. Jetzt schob sie sich neben ihre Mutter, als die Männer Anstalten machten, auch Nora zu fesseln. »Bist du böse?«
Akwasi grinste zu ihr herab. »Dede, Kleines, hab keine Angst! Ich bin auch nicht böse, nicht mit dir jedenfalls. Und du wirst mir noch mal dankbar sein für das, was ich hier tue. Deine Mutter wollte dich mit zu den Weißen nehmen. Und weißt du, was du da wärst? Eine Sklavin. Bei den Weißen müssen Niggerkinder schwer arbeiten und dürfen nicht spielen. Wenn du nicht brav bist, schlagen sie dich mit Peitschen. Deine Mutter …«
»Akwasi, sag ihr doch so was nicht!«, rief Nora verzweifelt. »Es ist nicht wahr, Dede, ich würde dir nie etwas Böses antun. Und Doug auch nicht, du …«
»Bei den Weißen bin ich eine Prinzessin!« Dede baute sich ebenso selbstbewusst und resolut vor ihrem Vater auf wie der eben vor seinen Gefangenen. »Deirdre. Und wenn sie nicht aufpassen, dann bringe ich Unglück über Irland!«
Trotz seiner misslichen Lage hätte Doug fast gelacht über das winzige, elfenhafte Persönchen, das dem gewaltigen Krieger trotzte. Akwasi lauschte ihr verblüfft. Er kannte die Sage natürlich nicht – und hatte bis heute auch nicht gewusst, dass Nora seine Tochter Deirdre nannte.
»Dein Name ist Dede!«, sagte er jetzt mit einem bösen Seitenblick auf Nora. »Das ist dein einziger Name, ein guter, afrikanischer, der niemandem Unglück bringt.«
»Und wenn doch, dann musst du einfach dem Obeah-Mann ein Huhn stehlen!« Nora erwiderte die Blicke Akwasis jetzt genauso zornerfüllt. »Das erfüllt alle Wünsche. Solange man nur dran glaubt.«
Dede wirkte jetzt genauso ratlos wie ihr Vater wutentbrannt.
»Woher weißt du das?«, zischte er. »Aber ja, es stimmt, ich habe dich gebannt. Du solltest mir gehören, und du gehörst mir noch immer!«
Nora spuckte vor ihm aus. »Da siehst du, was ich ihm wert bin, Deirdre«, spottete sie. »Eine schwarze Sklavin bringt auf dem Markt leicht zweihundertfünfzig Pfund. Eine Henne kostet höchstens einen Shilling.«
Das kleine Mädchen begann zu weinen. Doug fand es an der Zeit, diesem bösartigen Streit vor dem Kind ein Ende zu machen – zumal er die Kombattanten für ausreichend beschäftigt hielt, was längst die Aufmerksamkeit der Wächter auf sich gezogen hatte. Die Männer hatten seine Fesseln noch nicht richtig
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