Die Insel Der Tausend Quellen
falschen Stelle lag. Seine Frau habe die Sklaven gefälligst dazu anzuhalten, alles richtig zu machen, wofür er sich sonst wohl eine Lady ins Haus geholt habe.
Nora hatte die Leute daraufhin gleich am nächsten Morgen voller Tatendrang um den Tisch versammelt, um die richtige Platzierung von Tellern und Suppentassen, Löffeln und Messern mit ihnen durchzugehen – woraufhin keinerlei Fehler mehr passierten. Die Schwarzen schienen deutlich schneller zu lernen als das Personal in England, aber den dortigen Bediensteten saß natürlich auch keine Peitsche im Nacken. Das korrekte Bedienen bei Tisch brauchte Nora den Hausdienern nur einmal zu erklären, dann lief es weitgehend reibungslos. Zumindest fiel Elias nichts negativ auf, und Nora hütete sich, kleine Schnitzer bei Tisch zu korrigieren. Sie sprach später mit den Leuten darüber, die das offensichtlich zu schätzen wussten. Eigentlich gab es nichts, worauf sich diese Annahme stützen ließ, aber Nora hatte doch das Gefühl, als ob das Hauspersonal begann, sie zu mögen. Auf jeden Fall mehr als ihren Gatten, dem gegenüber die meisten bei allem Gehorsam eine unterschwellige Furcht hegten – oder, wie anscheinend Máanu, Hassgefühle.
Nora war auf dem Weg ins Speisezimmer, um den gedeckten Tisch zu kontrollieren. Vielleicht musste sie noch einmal an Blumenschmuck erinnern, sie hatte den Hausmädchen erst am Tag zuvor gezeigt, wie man Blüten gefällig arrangierte. Aber dann hörte sie Stimmen im Küchengarten.
»Akwasi? Bist du da? Du kannst rauskommen, es ist keiner mehr da.«
Nora erkannte Máanus Stimme – in fließendem Englisch.
»Ich bin gerade erst gekommen, wir haben an der Grenze zu den Hollisters gearbeitet. Mit diesem Truman als Aufseher. Toby ist zu Tode erschöpft, und Hardy …«
Die Männerstimme hatte Nora noch nie gehört. Zu den Hausdienern schien dieser Sklave nicht zu gehören.
»Sein Fuß ist schlimm, nicht? Was sagt Kwadwo?« Máanu klang besorgt.
Der Junge schnaubte. »Was er immer sagt. Man müsse die Geister beschwören, vielleicht heilen sie es, vielleicht nicht. Die Salbe deiner Mutter hilft auch nicht viel. Aber kein Wunder bei so einer klaffenden Wunde.«
Máanu seufzte. »Nimm jedenfalls das – das wird ihn stärken. Und er braucht nicht zur Essensausgabe. Er soll sich hinlegen und den Fuß hochlegen, sagt meine Mutter. Das hilft wahrscheinlich besser als die ganze Medizin. Und hier ist Fleischbrühe für Toby. Er muss wieder zu Kräften kommen, sonst meldet ihn Truman oder lässt ihn gar auspeitschen. Findet sich denn kein Platz für ihn in der Zuckerverarbeitung oder der Destillerie?«
Nora war völlig verblüfft über die plötzliche Wortgewandtheit ihrer Sklavin – und erst recht die des offensichtlichen Feldarbeiters, mit dem sie sprach. Aber jetzt musste sie dringend gehen. Nicht auszudenken, dass Elias sie holen kam und die beiden dort unten belauschte. Nora wusste nicht, was es mit der Sprache auf sich hatte, aber ganz sicher war es Adwea und Máanu verboten, Essen vom Tisch der Herrschaft abzuzweigen und unter den Feldarbeitern zu verteilen.
Nora plante nicht, die beiden zu verraten. Aber Máanu würde ihr am Abend Rede und Antwort stehen müssen!
»Bitte nicht sagen Backra, Missis! Bitte nicht sagen Backra!« Zum ersten Mal, seit Nora sie kannte, verlor Máanu ihre würdevolle Haltung und ihre zur Schau getragene Gleichmut. Ihr wich offensichtlich das Blut aus dem Gesicht – ihre schwarze Haut nahm einen Grauton an. »Er Akwasi strafen … und Toby …« Das junge Mädchen schien sich mehr um seinen Freund zu fürchten als um sich selbst. »Und mich …«
Máanu rieb sich hektisch die Stirn, als wollte sie sich schon den Gedanken an mögliche Konsequenzen ihrer Verfehlungen austreiben. Nora hätte ihr die Angst am liebsten gleich genommen, aber sie war entschlossen, hart zu bleiben. An diesem Tag wollte sie ein paar Antworten.
»Sprich richtig, Máanu! Ich weiß, dass du es kannst, und dieser Akwasi kann es auch. Also hör auf, mich an der Nase herumzuführen.«
»Máanu, Kitty, nicht foppen Missis …«
Das Mädchen war offensichtlich in Panik.
»Fass dich und sprich richtig, Máanu!«, wiederholte Nora. »Dann passiert dir nichts. Ich will dich nicht verraten, aber ich habe auch genug davon, angelogen zu werden.«
»Ich lüge Sie doch nicht an, Missis«, flüsterte Máanu geschlagen. »Das ist doch kein Lügen, wenn …«
»Wenn du tust, als sprächest du unsere Sprache nicht, obwohl du in
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