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Die Insel der Verdammten

Die Insel der Verdammten

Titel: Die Insel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Fiedler
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draußen zutrug, gesichert war, brauchte ich mich wenigstens nicht zu ängstigen.
    Wie lange ich schlief, weiß ich nicht. Plötzlich fuhr ich wie im Vorgefühl einer nahen Gefahr aus dem Schlaf auf. Von merkwürdiger Unruhe erfüllt, flatterte mein Herz wild wie ein erschrockener Vogel im Käfig. Was war geschehen? Was hatte mich so erschreckt? Vielleicht ein Laut, der einen sogar
    im Schlaf erschauern läßt? Im Höhlendunkel tastete ich nach dem Messer und umklammerte fest seinen Griff. Ich strengte mein
    Gehör an, konnte aber unter den allnächtlichen Urwaldgeräuschen nichts Verdächtiges wahrnehmen. Durch die Ritze zwischen den Brettern sah ich einen Teil des Gebüsches, und an den hell
    beschienenen Kakteen merkte ich, daß der Mond am Himmel
    stand.
    Plötzlich — was war das? Ein leises Rascheln — eilige Tritte im nahen Gras. Vor der Höhle schimmerte irgend etwas. Da — ein Sprung. Ein mächtiger Körper stürzte sich krachend gegen meine Sperre. Es folgte wütendes Kratzen von scharfen Krallen an den Brettern, von denen zwei mit brutaler Gewalt herausgerissen wurden und polternd zu Boden fielen. Scheu geworden, sprang ein großes Tier vor ihnen zurück — sprang drei, vier Schritt weit und blieb stehen. Es war ein gesprenkeltes schlankes Tier. Ein riesiger Jaguar! Das Herz stand mir still. Den Kopf flach am Boden, legte sich der Räuber auf die Lauer. Er durchbohrte mich mit seinen grünfunkelnden Lich—
    tern und bleckte die blitzenden weißen Fänge. Ich war starr vor Entsetzen und sah ihm wie gebannt in die Augen. Ich wartete. Das Messer hielt ich noch fest umklammert. Ein Sprung hätte genügt, um über mich herzufallen, ein Schlag der furchtbaren Pranke — um mich in Stücke zu reißen. Der Jaguar gab ein wütendes, gedämpftes Knurren von sich. Trotz meiner Betäubung konnte ich sehen, wie er mit dem Schwanz gegen die Sträucher schlug.
    Wann springt er?
    Die Sekunden dehnten sich ins Unendliche. Der Tod, der unabwendbar über meinem Haupt schwebte, wollte noch immer nicht zugreifen. Ich war einer Ohnmacht nahe: Wann endlich springt der Jaguar?
    Mit einemmal machte er eine Bewegung. Nicht in meine Richtung. Entgegengesetzt. Ohne den brennenden Blick von mir zu wenden, zog er sich langsam zurück. Nach und nach verschwand sein mächtiger Leib in den Sträuchern. Die Stelle, wo er vor einer Weile auf der Lauer gelegen, war jetzt leer. Man hörte nur noch das Geräusch knickender Zweige und ein Rascheln, das sich immer weiter entfernte. Dann wurde es still.
    Ich fiel erschöpft auf die Lagerstatt. Eine Zeitlang rührte ich mich nicht von der Stelle. Langsam kam ich zu mir. Vielleicht kehrte der Räuber zurück? Ich starrte zum Gebüsch hin. Nein, er ließ sich nicht wieder blicken. Anscheinend wollte der Beherrscher des Urwalds dem zweibeinigen Wesen, das sich erdreistete, in sein Bereich einzudringen, nur seine Macht zeigen. Er hat es verwarnt und ist im Dickicht verschwunden.
    Ich ging nicht hinaus, denn ich befürchtete einen Hinterhalt. Als das Blut wieder normal in meinen Adern kreiste und ich meine Schwäche überwunden hatte, hob ich sacht die herausgerissenen Bretter auf und versperrte mit ihnen wie vorhin den Eingang zur Höhle. Die Sicherung war zwar, wie ich jetzt erkannte, unzureichend, aber immer noch besser als gar keine.
    Bis zum Morgen wurde meine Ruhe durch nichts mehr gestört. Die letzten Stunden vor Tagesanbruch schlief ich gut. Ich erwachte früh und einigermaßen gekräftigt, jedenfalls
    ohne Kopfschmerzen und Schauer; dagegen verspürte ich
    einen Wolfshunger.
    Mein erster Gedanke betraf das nächtliche Abenteuer. „Ein Jaguar, ein Jaguar!" wiederholte ich voller Haß und Furcht.
    Als erfahrener Jäger war ich mir über die Gefahr, in der ich geschwebt, völlig im klaren. Hätte es die um vieles stärkere wilde Bestie nach Menschenfleisch gelüstet, so wäre ich, nur mit einem Messer und einem Holzknüppel bewaffnet, verloren gewesen.
    Zugleich fragte ich mich, wie der Jaguar auf die Insel gelangt sein mochte und wovon sich ein so gefräßiges Raubtier hier wohl ernähren konnte. Vielleicht hatte der Jaguar, der allgemein als vorzüglicher Schwimmer gilt, die Meerenge durchschwommen? Sie trennte die Insel vom Land im Süden; wenn er aber tatsächlich dorther kam, durfte man dann nicht annehmen, daß jenes Land die südamerikanische Küste sei?
    Vom frühen Morgen an beschäftigten mich zwei brennende Fragen: Wie schütze ich mich vor dem Jaguar und wie beschaffe ich mir

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