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Die Insel der Verdammten

Die Insel der Verdammten

Titel: Die Insel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Fiedler
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schauten noch einmal durchs Fernrohr. Nein, sie sahen nicht wie Indianer aus. Allerdings konnten wir die Gesichtszüge auf diese Entfernung nicht erkennen, doch trugen sie — wenigstens einige von ihnen — Hemden oder Beinkleider, ein Zeichen, daß sie keine Indianer waren: Die Eingeborenen dieser Gegenden besaßen solche Kleidung nicht. Außerdem schienen die drei Boote europäischer Herkunft zu sein.
    „Hast du irgendwelche Schuß- oder sonstigen Waffen bei ihnen bemerkt?" fragte ich Arnak.
    „Ich habe noch nichts entdeckt", erwiderte der Indianer.
    „Sollten sie unbewaffnet sein?"
    „Es sieht so aus, Jan."
    Plötzlich stieß der Junge einen Schrei der Verwunderung aus, reichte mir rasch das Rohr und stammelte nur: „Schau selbst!"
    Eines der Wesen, die unter den Palmen schliefen, erhob sich. Es war eine Frau. Neben ihr tauchte etwas Kleines auf: ein Kind. Das Rätsel komplizierte sich immer mehr, wurde immer unlösbarer.
    „Vielleicht liegen dort noch mehr Frauen im Sande?" brummte Arnak.
    „Leicht möglich. Wahrscheinlich ist das eine Familienwanderung. In jedem Falle müssen wir der Sache auf den Grund gehen und erfahren, wozu sie hergekommen sind."
    Wir machten uns auf den Weg und schlichen am Rande des Buschwerks entlang, wobei wir vorsichtig nach allen Seiten um uns blickten. Bald umgab uns ein Gestrüpp stachliger Sträucher. Es wuchsen hier riesige Kakteen. Fünfhundert Schritt von der Lagerstätte der Ankömmlinge entfernt erhoben sich dichtgedrängt bauchige Gewächse, die uns vortrefflichen Schutz boten. Wir hockten uns nieder. Von hier hatten wir eine herrliche Aussicht auf die Mündung des Baches, dann weiter, in einiger Entfernung vom Strande, auf das hochstämmige Papageienwäldchen und auf das Lager der fremden Menschen, das am jenseitigen Ufer der Bachmündung sichtbar war.
    Durch das Fernrohr beobachtete ich jetzt deutlich alles, was im Lager vor sich ging; nicht die geringste Kleinigkeit konnte meiner Aufmerksamkeit entgehen. Meine Entdeckung gab ich sogleich den Gefährten bekannt:
    >U nter den Liegenden sind Frauen und Kinder."
    „Sind es viele?" fragte Arnak.
    ›N ein , drei oder vier und ebenso viele Kinder."
    „Haben die Männer viele Waffen?"
    „Ich sehe überhaupt k eine... Aha, doch, da hält einer ein langes Messer, jetzt schneidet er damit Zweige ab. Ein zweiter hilft ihm, hält auch ein Messer."
    „Hast du Bogen gesehen?"
    „Keine Spur!"
    „Und keinerlei Schußwaffen?"
    „Nein."
    „Vielleicht haben sie die Waffen versteckt?"
    „Aber, Junge! Wozu sollten sie sie verstecken und vor wem?
    Auf einer menschenleeren Insel? Unter solchen Verhältnissen hält man die Waffen bei der Hand, es sei denn, man wollte jemand irreführen, ihm eine Falle stellen. Hier gibt es aber diesen Jemand nicht."
    „Ich würde ihnen nicht trauen", mischte sich Wagura ein.
    Der Milchbart sagte das in so ernstem Ton, daß mir das Lachen ankam. Ich hielt es jedoch zurück, um ihn nicht durch unnötigen Spott zu kränken.
    „Du kannst sicher sein", sagte ich, „daß wir sie mit aufmerksamen Augen verfolgen werden. Wir wollen aber unsern Argwohn nicht übertreiben."
    Als ich meine Beobachtungen durch das Fernrohr fortsetzte, fuhr ich vor Verwunderung hoch.
    „Hört mal her! Merkwürdig - was für eine ungewöhnliche Gesellschaft! Es gibt dort keinen einzigen Spanier, keinen einzigen Weißen."
    „Wieso denn?"
    „Es gibt keine. Es sind alles Indianer und — Neger!"
    „Neger?"
    „Ja, Neger!"
    Ich reichte Arnak das Fernrohr, damit er sich überzeuge. Er bestätigte meine Beobachtungen.
    „Was mag sie hierhergeführt haben?" fragte der Junge.
    „In jedem Falle kommen sie aus Gegenden, die von Weißen bewohnt werden", erklärte ich.
    ', Woraus schließt du das?"
    „Siehst du denn nicht ihre ärmliche Kleidung, wie sie gewöhnlich von Sklaven auf den Plantagen getragen wird, und dazu — diese Neger. Es gibt hier keine Neger, die in Freiheit leben."
    „Das ist wahr."
    Die Anwesenheit von annähernd einem Dutzend Indianern unter den Ankömmlingen rief bei meinen Kameraden eine verständliche Erregung hervor. Es konnten sowohl Menschen ihres eigenen, aber auch Angehörige eines feindlichen Stammes sein. Zwischen den Stämmen hatte sich in den Seelen der Eingeborenen vielfach ein so schändlicher, abgrundtiefer Haß gegeneinander eingenistet, daß bisweilen selbst die furchtbare Gefangenschaft bei den Weißen nicht imstande war, diese feindseligen Gefühle auszumerzen oder einzudämmen. Daher die

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