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Die Insel der Verdammten

Die Insel der Verdammten

Titel: Die Insel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Fiedler
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ich den Namen so laut wie möglich aussprach.
    „Ho!" erwiderte ein hochgewachsener Indianer und trat hinter einer Palme hervor. Es war derselbe Mann, der vorhin im Bach gebadet hatte.
    Eine Welle der Freude durchflutete mich. Er war also der Landsmann meiner Jungen, der Verwandte Waguras.
    „Manauri?" wiederholte ich noch einmal fragend, um mich zu vergewissern.
    „Si, si! - Ja, ja! Manauri!" erwiderte der Indianer.
    Sein Gesicht drückte maßlose Verwunderung aus. Ich stellte mir lebhaft vor, was in der Seele dieses Menschen vor sich ging: Er war zusammen mit anderen nach einer menschenleeren Insel geflohen, und nun tauchte hier wie ein Gespenst ein fremder, bärtiger Mann, ein Europäer, auf, den er nie im Leben gesehen hatte, und rief ihn beim Namen.
    Manauri, dessen Gesicht immer noch Verblüffung widerspiegelte, machte Anstalten, sich mir zu nähern, als jählings ein riesiger Neger auf ihn zusprang und ihn zurückhielt. Er gebärdete sich sehr erregt und sprach in heftigen Worten auf den Indianer ein, wobei er drohend zu mir herwies. Offensichtlich warnte er ihn vor mir.
    Obwohl Manauri von ansehnlichem Wuchs war, übertraf ihn der Neger noch um eine halbe Kopflänge. Er sah aus wie
ein Athlet. Gewaltige Muskelstränge schwellten die kräftigen Schultern und die gewölbte Brust. Wie ich von weitem beurteilen konnte, hatte er scharfblickende, durchdringende Augen, lebhafte Bewegungen und eine herrische, befehlende Haltung. Er war sicherlich ihr Häuptling.
    Die Unterredung zwischen Manauri und dem Neger nahm einen stürmischen Verlauf. Sie stritten miteinander, der Neger heftig, Manauri etwas gemäßigter. Ich spürte, daß er zu mir kommen und mit mir sprechen wollte; der Neger gab sich jedoch Mühe, ihn zurückzuhalten.
    „Manauri amigo!" schrie ich aus vollem Halse dem Indianer zu und rechnete damit, daß er den Worten des anderen widerstehen würde. „Amigo Manauri!"
    Meine Nerven waren aufs äußerste gespannt, verzweifelt
kramte ich aus dem Gedächtnis alle spanischen Brocken hervor, die mir jemals zu Ohren gekommen waren. Es ging darum, die Feindseligkeit des verbissenen Negers zu überwinden und die anderen von meinen freundschaftlichen Gefühlen zu überzeugen.
    Wie scheue Vögel flogen mir die widerspenstigen Wörter zu. „Yo... amigo... de todos! — Ich bin ein Freund aller!" Ich freute mich, daß es mir gelang, die Worte zusammenzuflicken, und schrie sie laut wie eine feierliche Beschwörung hinaus.
    Der hochgewachsene Neger erteilte einigen seiner Kameraden rasche Befehle. Sie eilten daraufhin in den Busch, um ihn zu durchqueren und mir den Rückweg abzuschneiden. Als ich ihr Vorhaben merkte, gab ich durch Zurufe und Kopfbewegungen meinen Widerspruch zu erkennen und nahm Reißaus. Es konnte keine Rede davon sein, daß sie mich einholten, denn in Virginia galt ich als Schnelläufer; auf der Insel aber hatte ich seit jener Zeit nichts von meiner Schnelligkeit eingebüßt.
    Ich wandte mich nach den Verfolgern um und winkte ihnen zu, von mir abzulassen; sie setzten mir jedoch um so heftiger nach. Es waren ihrer sechs oder sieben. Wenn sie sich nicht im letzten Augenblick besannen, so würde es ein schlechtes Ende nehmen: Blut würde fließen, ihr Blut.
    Ich rannte auf den Kakteenbusch zu, hinter dem meine Kameraden lauerten, und rief ihnen schon von weitem zu:
    „ Arnak! Wagura! Heraus aus dem Versteck! Die Gewehre! Zeigt ihnen die Gewehre!"
    Wieviel hing doch in diesem Augenblick davon ab, ob sie mich verstehen und sich klug verhalten würden! Davon hing nicht nur das Leben dieser sieben Verfolger ab, sondern sicherlich auch - sofern einmal Blut flösse — unser eigenes Leben.
    Glücklicherweise verlief alles gut. Die Jungen verstanden ausgezeichnet, was sich vor ihnen abspielte. Als sie aus dem Versteck herausliefen, schwangen sie nicht nur drohend die Flinten, sondern erhoben ein so gellendes Geschrei, daß sie damit selbst einem zahlreicheren Gegner Angst eingejagt hätten. Als ich sie erreichte, warf mir Arnak die bereitgehaltene Schußwaffe zu und schrie:
    „Sie sind schon fort! Haben sich zurückgezogen!”
    Die Gewehre hatten, wie beabsichtigt, schon durch ihr bloßes Auftauchen ihre Wirkung getan — die Verfolger wollten von weiteren Abenteuern nichts wissen. Im Schutz des Dickichts machten sie sich aus dem Staube.
    „Gehen wir fort von hier! Schnell!" flüsterte ich den Jungen zu.
    „Glaubst du, sie werden uns verfolgen?" fragte Arnak. „Jetzt gleich wahrscheinlich nicht.

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