Die Insel der Verdammten
wir das Knacken brechender Zweige. Es gab keinen Zweifel: Ein Hund, nein, zwei setzten über die Sträucher und verfolgten die Spur der Menschen, die vorhin die Lichtung überquert hatten.
„Jagen sie jene Menschen?" flüsterte Wagura.
Die Hunde bellten hin und wieder kurz und knurrend, wie sie es zu tun pflegten, wenn sie eine frische Wildspur aufgenommen haben. Sie liefen etwa zweihundert Schritt vor uns über die Lichtung und hielten die Nasen dicht an der Erde. Unablässig witternd, verfolgten sie die Spur der fünf Menschen.
„Sie sind hinter ihnen her, das ist sicher!" stellte ich fest. Zum Glück hatten die beiden Hunde, mit der Verfolgung jener fünf beschäftigt, unsere Spur nicht entdeckt. Sie verschwanden auf unserer Seite ins Gebüsch, und der Urwald hallte wider von ihrem wütenden, verbissenen Gekläff.
„Sie haben sie eingeholt!" stieg Wagura hervor.
„Es sind unsere Leute, Neger!" Arnak gab seiner Freude dar- über Ausdruck. „Die Hunde haben sie gestellt."
Wir müssen ihnen zu Hilfe eilen!" rief Wagura.
„Warte!" ich hielt ihn zurück. „Den Hunden können die Spanier folgen."
„Was sollen wir tun?"
„Arnak, leg dich mit deinen Leuten an der Stelle auf die Lauer, an der die Hunde die Lichtung überquerten!" „Gut, Jan!"
„ Daß du keine Menschenseele vorbei läßt!"
', Darf ich mit den Flinten schießen?"
„Ja, aber nur im äußersten Falle. Besser ist es, Handwaffen zu gebrauchen."
„Ich verstehe."
Die Hunde schienen rasend zu werden, so sehr steigerte sich ihr Wutgeheul.
„Vorwärts, Wagura! Heran an die Bestien!"
Wir liefen und schlugen uns quer durch das Gebüsch. Wir achteten nicht mehr darauf, ob sie uns hörten. Das wilde Hundegekläff erschütterte immer noch die Luft.
„Sie werden sie in Stücke reißen, bevor wir hinkommen", brüllte Wagura im Laufen.
„Beachte eins!" warnte ich ihn.
„Was denn?"
„Keine Feuerwaffen!"
„Nur Bogen?"
„Ja."
Wir waren sechs oder sieben Mann. Das Ziel konnten wir nicht verfehlen, das Gebell der Hunde wies uns den Weg. Bald waren wir an Ort und Stelle. Die Neger standen geschlossen gegen einen stämmigen Baum gelehnt und wehrten mit Stöcken die wütenden Tiere ab.
Wir kamen bis auf wenige Schritte an sie heran, ohne daß uns jemand bemerkt hätte. Die Menschen und Tiere waren voll und ganz vom Kampf in Anspruch genommen. Als die Indianer sahen, daß den Angegriffenen keine unmittelbare Gefahr drohte, ließen sie sich Zeit, günstige Stellungen einzunehmen. Sie umringten die Kämpfenden im Halbkreis in einer Entfernung von kaum zehn Schritt. Sie wollten vermeiden, daß Menschen getroffen würden.
„Ho!" schrie Wagura, als alle bereit und die Bogen gespannt waren.
Die Hunde verstummten wie vom Blitz getroffen, sie verharrten regungslos. Es waren riesige Tiere, Doggen, kräftiger als die Wölfe in den virginischen Wäldern. Dem einen sträubte sich das Fell, als er den neuen Feind erblickte. Der Hund stürzte sich sofort auf den nächststehenden Indianer, doch drei Pfeile — ins Maul, in den Nacken und in die Brust streckten ihn zu Boden. Der zweite Hund bekam es mit der Angst zu tun und wollte auskneifen. Er stürmte los und traf in demselben Augenblick auf den letzten Indianer im Halbkreis. Ein Hieb über den Kopf und einige Pfeile bereiteten ihm ebensorasch wie dem ersten ein Ende.
„Eine gute Arbeit!” bemerkte ich erfreut.
Unbeschreiblich war das Erstaunen der Neger, als sie statt der Spanier ihre Beschützer vor sich sahen! Es waren fünf Gerettete — drei Neger und die junge Indianerin, die Frau Mateos. Sie hielt ihr Söhnchen in den Armen, das aus Leibeskräften schrie.
„Wenn es schreit, lebt es", stellte ich mit bitterem Humor fest. „Ich bitte euch aber, beruhigt es, wenn euch das Leben lieb ist. Gebt ihm zu essen!"
Es stellte sich heraus, daß weder die Indianerin noch die Neger das geringste an Nahrung besaßen.
„Habt ihr etwas?" wandte ich mich an die Indianer.
Die Lebensmittelvorräte waren bei Manauri geblieben, doch hatte einer der Indianer süße Früchte in seinem Säckchen.
„Gib sie her!" rief ich. „Sie werden dem Kinde wohl nicht schaden."
Seit einiger Zeit schien wieder der Mond, es wurde heller. Ich trat an die Indianerin heran und reichte ihr die Früchte. Aufs neue beeindruckte mich ihre ungewöhnliche Schönheit — trotz Leiden und Erschöpfung sprach eine holde Anmut aus ihren Gesichtszügen. Als ich das Kind näher betrachtete, hätte ich vor Schreck beinahe
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