Die Insel der Verdammten
aufgeschrien: Sein Gesichtchen war blutüberströmt. Kein Wunder, daß es so heulte.
„Was ist ihm? Ist es verletzt?" fragte ich.
„Ja, Herr", flüsterte die Mutter. „An der Stirn."
Dort sah man einen tiefen, langen Schnitt, aus dem ständig Blut floß.
„Wovon ist das?"
„Es hat sich an den stachligen Sträuchern verletzt ..
Zum Glück war das Hemd, das ich trug, am Vortage gewaschen. Ich hatte es auf der spanischen Brigantine erbeutet. Ohne lange zu überlegen, riß ich die Ärmel heraus, zerschnitt sie in Streifen und verband damit kunstgerecht das Köpfchen des Kindes. Wenn ich den Ausdruck „kunstgerecht" gebrauche, so liegt eine Dosis Eigenlob darin, denn ich hatte mir diese Fähigkeit noch in den virginischen Wäldern angeeignet.
Das verbundene Knäblein hörte bald auf zu weinen, und als es das Obst bekam, bot sein Gesichtchen den Anblick restloser Zufriedenheit. Ich berührte sein Kinn mit dem Finger - es lächelte.
„Siehst du?" Ich zwinkerte seiner Mutter vergnügt zu. „Es fürchtet sich nicht vor mir."
„Ich auch nicht", entgegnete sie still.
Ihre großen Augen drückten Dankbarkeit aus; doch zugleich erlosch der Glanz darin, auf der Stirn erschien eine düstere Falte.
„Wo ist Mateo?" stieß sie hervor.
Ich überlegte eine Weile, wie ich ihr antworten solle. Sie schaute mich durchdringend an und fragte: „Ist er tot?"
„Nein!" erwiderte ich. „Wahrscheinlich ist er nicht tot."
„Wo ist er?"
„Wir wissen es nicht genau. Mateo ist aber ein großer Held, du kannst stolz auf ihn sein."
„Sprich deutlicher, Herr!"
„Mateo hat sich den Spaniern entgegengeworfen. Um euch die Flucht zu erleichtern, hat er ihren Ansturm aufgefangen und tapfer mit ihnen gekämpft.. „So ist er umgekommen?"
„Man weiß es nicht. Wir vermuten, daß er lebt."
„Er lebt?"
„Ja, sicher lebt er. Er ist in Gefangenschaft geraten ..
Die Indianerin stöhnte. Die Nachricht erfüllte sie mit unbeschreiblichem Entsetzen, so daß ich meine unbedachten Worte bedauerte. Krampfhaft drückte sie das Kind an sich.
„Sie werden ihn zu Tode quälen!" flüsterte sie tonlos.
Ich faßte sie fest um die Schulter.
„Wie heißt sie?" wandte ich mich an Wagura, der unsere Unterhaltung verdolmetschte.
„Lasana", erwiderte der Junge.
„Lasana!" sagte ich mit Nachdruck. „Du mußt uns vertrauen! Wir werden nicht ruhen, bis wir entweder die Schergen vernichtet oder selbst den Tod gefunden haben. Lebt Mateo, so wird er freikommen."
Ich wollte die beiden befreiten Frauen — Lasana und Dolores — unter dem Schutz zweier Neger zu unserer Höhle schicken und den dritten als Führer bei mir behalten. Dem widersetzten sie sich jedoch: Alle Neger verlangten Waffen und wollten gemeinsam mit uns kämpfen; auch Lasana beschloß, in der Nähe zu bleiben. Sie bat um einen Bogen und ein Messer und erklärte, daß sie sich selbst schützen würde. Wo sich unser Schicksal entscheide, dort sei ihr Platz. Ihr Verhalten drückte ungewöhnlichen Mut und Entschlossenheit aus. Schließlich erlaubte ich den Frauen, sich am Meeresufer, gut eine halbe Meile von der Lichtung entfernt, verborgen zu halten, während ich die drei Neger in die Gruppen einreihte.
Die kurze Beratung, die wir nach der Rückkehr zu Manauri unter Beteiligung der neuen Verbündeten abhielten, erbrachte nichts Wesentliches. In der Annahme, sich vor den Spaniern allein durch die Flucht retten zu können, waren die drei Neger samt den Frauen und noch anderen Kameraden gleich nach dem Alarm auseinandergestoben. Obwohl sie Mateos Rufe undeutlich hörten, verstanden sie nicht, daß diese eine Aufforderung zum Kampf bedeuteten. Im Busch verloren sie einander; nur die drei Neger und Lasana blieben beim Laufen zusammen.
„Wieviel Hunde haben die Spanier mitgebracht?" fragte ich. Sie wußten es nicht genau, vermuteten aber, es seien in jedem Falle mehr als drei.
„Könnt ihr unsere Gruppe an das Lager heranführen, in dem euch die Spanier überrascht haben?"
„Ja, das können wir."
„Wir gehen hin! Wenn Mateo lebt oder sie ihn gefesselt halten, so befindet er sich wahrscheinlich dort, wo sie ihn gegriffen haben."
Die Neger verstanden weder mit Bogen noch mit Gewehren umzugehen, dafür waren sie ausgezeichnete Speerwerfer. Ich befahl daher, jedem von ihnen außer Messer und Stöcken je zwei Speere zu geben. Der älteste von ihnen, Miguel mit Namen, kam mit verlegener Miene auf mich zu und fragte, ob er um etwas Wichtiges bitten dürfe.
„Ich höre", sagte
Weitere Kostenlose Bücher