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Die Insel der verlorenen Kinder

Die Insel der verlorenen Kinder

Titel: Die Insel der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
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grinste wie ein Honigkuchenpferd, und bevor Rhonda dafür sorgen konnte, dass das Gespräch in der richtigen Bahn blieb, machte er alles kaputt.
    «Sie sind doch Schauspielerin, nicht wahr, Miss Clark?», fragte er.
    «Aber ja doch. Haben Sie mich gesehen?»
    «Warren ist Filmstudent», erklärte Rhonda. «Er dreht Dokumentarfilme.»
    Bei dieser Neuigkeit strahlte Laura Lee.
    «Sie kommen mir sehr bekannt vor», sagte Warren. «In welchen Filmen haben Sie denn gespielt?»
    «Oh, in so vielen, dass ich sie gar nicht aufzählen kann, junger Mann. Hunderte. Also, ich wette, wenn wir jetzt den Fernseher anschalten würden, liefe einer von meinen Filmen   …» Und bevor ihre beiden Besucher noch etwaseinwenden konnten, ging Laura Lee ins Wohnzimmer und griff nach der Fernbedienung.
    «Setzt euch doch.» Sie zeigte auf einen verblassten Zweisitzer, auf dem eine bunt gemusterte Häkeldecke lag. «Stört euch nicht an dem Orientteppich», sagte Laura Lee. Warren warf Rhonda einen verblüfften Blick zu. «Ich hab ihn hierhergelegt, um das Loch im Sofa zu verdecken. Die verdammten Zigaretten!»
    «Sehr hübsch», sagte Rhonda, die über die knallbunte Decke strich und sich das Lachen verbiss. «Hast du die selbst gemacht?»
    «Nein, Gott bewahre! Auf dem Flohmarkt gekauft», antwortete Laura Lee und wandte sich wieder dem Fernseher zu. «Da ist ja schon einer:
Erdbeben.
Da hab ich eine wahnsinnig starke Kreischszene. Herrgott, ich hoffe nur, dass meine Szene nicht schon vorbei ist! Die Arbeit mit Chuck Heston war einfach
traumhaft.
Und mir ist es auch scheißegal, was für ein gottverdammter rechtsextremer Waffennarr der ist!»
    Mit erhobener Hand wehrte sie jeden Einwand von Rhonda oder Warren ab. «Ava Gardner war dagegen eine fürchterliche Zicke.»
    «Das hört sich nach einer tollen Laufbahn an», sagte Warren in bewunderndem Ton. Rhonda ließ den Arm über das Sofa gleiten und zwickte ihn heimlich, die Hand verborgen unter den Falten des «Orientteppichs».
    «Es geht nichts über eine Karriere beim Film. Rhonda, Schätzchen, ich muss sagen, ich war immer ein bisschen enttäuscht, dass du dich nicht für ein Leben im Rampenlicht entschieden hast.»
    «Ich?», fragte Rhonda erstaunt.
    «Ich meine, natürlich wart ihr noch Kinder, als ihr diese Stücke im Wald aufgeführt habt, aber du hattest
Talent
, verdammt nochmal. Das erkenne ich, wenn ich es sehe. Du warst
begabt.»
Laura Lee wandte sich Warren zu. «Sie hätten sie sehen sollen. Sie war großartig. In ihrer letzten Rolle hat sie die Wendy aus
Peter Pan
gespielt. Sie hat mich zu Tränen gerührt. Und wie alt warst du damals, mein Schatz? Zehn Jahre? Oder elf?»
    Rhonda nickte.
    «Ich hab nie begriffen, warum ihr Kinder die Bühne abgerissen habt. Und ihr habt euch selbst dabei ganz übel zugerichtet. Ihr hättet tot sein können. Und wozu das alles?» Rhonda zuckte die Schultern. «Das ist schon so lange her. Ich kann mich nicht mehr erinnern.» Sie strich sich den Pony aus der Stirn und betastete die schmale Narbe über der Augenbraue.
    «Das war wirklich ein Ding», meinte Laura Lee zu Warren. «Als die Rückwand umkippte, sind sie und Peter genau an derselben Stelle verletzt worden. Beide mussten genäht werden. Sie haben genau die gleiche Narbe
.
Zeig sie ihm mal, Schätzchen. Zeig dem jungen Mann deine Narbe!»
    Rhonda ließ den Pony wieder schützend über die Stirn fallen und schüttelte den Kopf.
    «Dann bitte Peter, dir seine zu zeigen», sagte Laura Lee zu Warren. «Das ist wirklich vollkommen verrückt. Die Narben sehen genau gleich aus.»
    Warren sah Rhonda an und wartete ab. Rhonda starrte auf den Fernseher. Gerade brach dort ein riesiger Damm. Sie stand nicht besonders auf Katastrophenfilme aus densiebziger Jahren und übrigens auch sonst nicht auf Filme aus dieser Zeit – die waren alle so opulent und die Charaktere übertrieben. Ihr kam der Gedanke, dass das ein gutes Gesprächsthema für sie und Warren sein könnte.
    «Laura Lee», sagte Rhonda, «kannst du mir sagen, wer sonst noch einen Schlüssel zu deinem Wagen hatte?»
    Laura Lee seufzte dramatisch.
    «Da wär’n wir wieder bei der gottverdammten Karre. Das ist leicht zu sagen, mein Schatz. Nur zwei Personen: Tack und Peter.»
    Das war nicht die Antwort, die Rhonda sich erhofft hatte.
    «Und sonst keiner?», fragte Rhonda.
    Laura Lee dachte kurz nach. «Ich hab diesen Wagen seit 1979.   Ist das zu glauben? Und ich hab ihn gebraucht gekauft! Dieser Käfer, der läuft und läuft und läuft.

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