Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Insel der verlorenen Kinder

Die Insel der verlorenen Kinder

Titel: Die Insel der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
Vom Netzwerk:
Natürlich steht er auch im Winter in der Garage, und ich fahre nicht viel damit – wo soll eine alte Dame wie ich schon hinfahren? Ha! Nein, mein Schatz. Sonst hat keiner einen Schlüssel. Außer   …»
    «Außer?»
    «Ach, nichts. Das ist schon hundert Jahre her. Und es spielt jetzt auch keine Rolle mehr.» Laura Lee griff nach ihrem Sangria-Glas und sah sorgenvoll hinein, als sähe sie zwischen den Eiswürfeln einen Ertrinkenden umherschwimmen.
    «Was ist?», fragte Rhonda.
    «Daniel. Ich hab meinen Wagen früher immer Daniel geliehen. Der hatte auch immer einen Schlüssel.»
     
    Sie nennt seinen Wagen ein Unterseeboot, und das gefällt ihm. Sie tut so, als würde sie ein Periskop aufbauen und sich damit umschauen. Soll sie nur gucken.
    «Keine Haie», erklärt sie.
    Er nickt zum Zeichen, dass sie in Sicherheit sind. Mit ihm zusammen wird sie immer in Sicherheit sein.
    Er bringt sie zu ihrem Geheimplatz. Der gehört nur ihnen beiden. Schattig und kühl ist es dort. Da kann man sie nicht finden.
    Haseninsel nennt sie den Ort.
    Sie spielen Fangen, und sie rennt im Zickzack zwischen Bäumen und Steinen vor ihm her. Lachend.
    Er erinnert sich an das erste Vögelchen, daran, wie sie damals den ganzen Tag lang Verstecken spielten. Das Vögelchen fand immer die besten Verstecke. Sie konnte sich in die winzigsten Löcher und Winkel hineinzwängen, die sie mit ihrem Körper komplett ausfüllte wie ein Einsiedlerkrebs. Ganz still und geduldig wartete sie dann darauf, dass sie gefunden wurde.
    Der Hase jagt dieses neue Mädchen und lacht ebenfalls. Ganz leise lacht er, weil sein Vögelchen jetzt endlich wieder da ist. Und diesmal wird er nicht zulassen, dass ihm noch einmal etwas zustößt.

s?
    23.   Mai 1993
    «Nimm dieses Ding raus», bedrängte er sie.
    Rhonda lachte.
    «Wirklich. Du redest total komisch damit. Und deine Lippen stehen vor.»
    Sie schob die Zahnspange mit der Zunge nach vorn, holte sie mit den Fingern aus dem Mund und hielt sie wie etwas ganz Zartes, Exotisches zwischen den Fingerspitzen: Als wäre sie ein rosa Käfer mit Silberbeinchen.
    «So ist es besser», sagte er.
    Sie saßen versteckt unter der Erde, gemeinsam vergraben wie ein geheimer Schatz. Die Falltür zum Bühnenboden über ihnen war geschlossen, und jetzt saßen sie sich Auge in Auge in der kleinen Grube gegenüber und atmeten den Geruch von feuchter Erde und Wurzeln ein.
    Sie betrachtete ihn im schummrigen Licht, das durch die Ritzen der Falltür einfiel. Sie saßen im Schneidersitz einander gegenüber. Er trug sein Peter-Pan-Kostüm. Er roch nach Laub. Und sie trug das weiße Wendy-Nachthemd und hatte das Haar hinten zusammengebunden.
    «Du willst also die Wahrheit wissen?», fragte er.
    «Ja», antwortete sie.
    «Bist du dir da ganz sicher?»
    Sie lachte.
    «Dann hör auf zu lachen. Entspann dich einfach. Ich sag dir, wie es geht: Erst fängt man mit ein bisschen Küssen an. Dann fummelt der Junge an dem Mädchen herum. Du weißt schon, er streichelt ihre Titten und so.»
    Rhonda verschränkte die Arme vor der Brust, um das unübersehbare Fehlen von Titten zu verbergen.
    «Dann berührt er sie zwischen den Beinen, um zu sehen, ob sie so weit ist», erklärte er.
    «So weit? Was meinst du damit?»
    «Also, du weißt schon   … Ob sie für ihn bereit ist.»
    Sie nickte, hatte aber keine Ahnung, wovon er sprach.
    «Für seinen Penis», erklärte Peter.
    «Oh», sagte Rhonda einfach. Ihr Mund war plötzlich trocken. Sie schluckte.
    «Er steckt ihn in sie rein, und sie bewegen sich zusammen, sodass er immer rein- und rausgeht.»
    «Warum denn?», fragte Rhonda.
    «Dumme Frage. Weil das ein schönes Gefühl ist!»
    «Oh», sagte sie noch einmal.
    Sie musste das unbedingt gleich Lizzy erzählen. Doch als hätte er ihre Gedanken gelesen, schüttelte Peter den Kopf.
    «Rhonda», sagte er ernst, kurz bevor er die Falltür aufklappte und sie zum Abendessen nach Hause gingen, «du darfst Lizzy nichts von dem erzählen, was ich dir gesagt habe.»
    «Warum denn nicht?», fragte Rhonda. Peter hatte sie noch nie gebeten, irgendetwas vor Lizzy zu verheimlichen.
    «Weil sie völlig ausflippen würde. Das muss unser Geheimnis bleiben. Okay?»
    Rhonda nickte, steckte die Spange wieder in den Mund und lächelte. Sie und Peter hatten ein Geheimnis. Ein Geheimnis, von dem ihr ganz kribbelig wurde.

s?
    7.   Juni 2006
    «Na, erzählst du mir jetzt, was mit diesem Daniel ist?», fragte Warren.
    Er hatte sie schon am Vortag nach Daniel gefragt, doch sie

Weitere Kostenlose Bücher