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Die Insel der verlorenen Kinder

Die Insel der verlorenen Kinder

Titel: Die Insel der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
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war sie den beiden anderen so weit voraus, dass sie nur noch einen weißen Fleck sahen, wie vom Hinterteil eines Rotwilds, und dann war sie weg.
    Rhonda sollte die Nacht bei Lizzy zu Hause schlafen und fürchtete sich jetzt davor. Wer will schon die Nacht mit einem stinkenden alten Piratenkapitän verbringen?
    Peter und Rhonda ließen sich auf der Rückfahrt vom Nickel Lake Zeit. Als sie in Peters Einfahrt bogen, stand Lizzys Fahrrad schon gegen die Garagenwand gelehnt. Im Haus brannte kein Licht, was bedeutete, dass ihre Eltern noch im Garten der Farrs saßen und inzwischen mit Sicherheit vollkommen betrunken waren.
    «Ich muss dir was zeigen», sagte Peter und ging zur Garage.
    «Ja, klar», erwiderte Rhonda bitter und blieb, wo sie war.Für wie jämmerlich hielt er sie eigentlich? Er kam zurück, ergriff sie bei der Hand und zog sie in den kleinen Fahrzeugschuppen, den Daniel als Werkstatt verwendete – denselben, von dem Peter erst einige Tage zuvor beinahe mit seinen von Daniel gebastelten Flügeln herabgesprungen wäre. Sein Griff war so fest, dass Rhonda keine Wahl blieb, als ihm zu folgen.
    Peter zerrte Rhonda in die dunkle Werkstatt und führte sie zu der Reihe von Särgen im Hintergrund.
    «Wir dürfen ohne deinen Dad gar nicht hier sein», mahnte Rhonda. «Wenn er uns erwischt   …»
    «Schau mal», sagte Peter und zeigte auf einen der Särge. «Guck dir mal den Deckel an.»
    Rhonda beugte sich darüber und betrachtete im Dunkeln angestrengt die eingeschnitzten Buchstaben. Es waren Initialen: DLS. Und eine Inschrift: BESSER AUSBRENNEN ALS DAHINSCHWINDEN   …
    «Für wen ist der?», fragte Rhonda.
    «Für meinen Vater. Er hat seinen eigenen Sarg gezimmert.»
    Rhonda schauderte. «Wie gruselig.»
    «Ja, aber weißt du, was das Gruseligste daran ist?»
    Rhonda wollte gerade danach fragen, als Peter den Finger an die Lippen legte. «Psst!», zischte er.
    Draußen hörten sie einen Streit. Zwei Stimmen, die näher kamen. Daniel und Clem.
    Peter nahm den Deckel von einem der Särge.
    «Da rein», befahl er.
    Rhonda schüttelte den Kopf. Das kam nicht in Frage.
    «Willst du wirklich, dass er uns hier drinnen erwischt?»,flüsterte Peter. «Und jetzt rein mit dir. Das ist überhaupt kein Problem. Vertrau mir.»
    Vertrau mir.
Wie oft hatte er ihr das schon gesagt? Aber wie sollte sie ihm jetzt noch vertrauen können? Er hatte sie geküsst und sie sein Mädel genannt, sich dann aber plötzlich für Tack entschieden.
    Rhonda schwieg jedoch, kletterte in den Sarg und legte sich, die Arme lang am Körper ausgestreckt, gehorsam wie immer hin. Peter klappte sanft den Deckel zu. Rhonda lag im Dunkeln, roch das Kiefernholz und hörte, wie Peter in den Sarg neben ihr stieg – Daniels Sarg. Eine Weile lagen sie schweigend im Dunkeln und stellten sich tot.
    Sie hörte, wie Clem und Daniel sich vor der Tür stritten und dann in die Werkstatt kamen. Das Licht ging an und drang durch die Ritzen unter dem Sargdeckel.
    «Herrgott nochmal, Daniel, das ist eine Menge Geld!», hörte Rhonda ihren Vater sagen.
    «Aber du bekommst alles zehnfach zurück. Es ist eine Investition. Die Särge werden ein Riesengeschäft, das sage ich dir», erklärte Daniel.
    «So wie die Erdnüsse?», fragte Clem.
    «Scheiß auf die Erdnüsse», gab Daniel zurück. «Diese Sache hier ist größer. Hier springt wirklich was bei raus.»
    Rhonda erinnerte sich an die Erdnüsse. Im Vorjahr hatte Daniel beschlossen, einen Erdnusswagen zu kaufen. Das Tütchen für einen Dollar, würde er Erdnüsse an Touristen in Burlington verkaufen und damit reich werden. Dort gab es bereits Stände mit Süßigkeiten, Knabbereien und Modeschmuck – aber bisher keine Erdnüsse. Er bestellte sie kistenweise, doch sein Erdnussstand wurde ein Flop. Die Erdnüssestanden monatelang im Schuppen, ranzig und voller Mäuse, bis Daniel sie endlich auf seinen Pick-up lud und zur städtischen Müllkippe fuhr.
    «Ich verstehe das nicht», sagte Clem. «Du hast alle Werkzeuge, die du brauchst. Mit dem, was du hast, kommst du vollkommen hin.»
    «Aber ich rede von einer
Großproduktion
, Clem. Ich brauche besseres Werkzeug, um die Produktion zu vergrößern und die Gewinnmarge zu verbessern.»
    Clem schwieg eine Weile und sagte dann geradeheraus: «Ich glaube dir nicht.»
    «Also, was glaubst du denn dann?»
    «Ich glaube, dass du das Geld brauchst, um deine Schulden bei Shane oder Gordon oder sonst jemandem zu bezahlen.»
    «Verdammt», sagte Daniel. «Du hast doch gar keine

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