Die Insel der verlorenen Kinder
veranstalteten, verstehen zu können. Auf der Bühne machte gerade jemand einem alten Hank-Williams-Song den Garaus.
Rhonda schüttelte lachend den Kopf. «Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich eigentlich gar nicht in Peter verliebt bin. Sondern nur in meine
Vorstellung
von Peter. Aber jetzt ist selbst das bedeutungslos. Ich glaube, dass Peter in die Sache verstrickt sein könnte, Warren.»
«Verstrickt?»
«Ich rede von Ernie. Er hatte genau an dem Tag Laura Lees Wagen in der Werkstatt, als der Hase – wie Katy erzählt hat – Ernie von der Schule abgeholt haben soll. Und auf dem Friedhof habe ich seinen Schlüsselbund gefunden.»
«Was? Wann denn?»
«An dem Tag, an dem wir beide da waren. Ich hab ihn versteckt. Ich konnte dir damals einfach nicht davon erzählen. Ich konnte einfach nicht glauben, dass Peter irgendwie in die Sache mit Ernie verwickelt sein könnte. Mich hat die Wahrheit gar nicht interessiert, sondern nur meine eigene vermurkste Version der Wahrheit. So wie ich auch nicht wirklich in Peter verliebt war, sondern in die Vorstellung einer Elfjährigen von der Liebe. Der Liebe zu einem Jungen, der halb Junge und halb Peter Pan war.»
«Hast du den Schlüsselbund schon jemandem gezeigt? Peter? Oder Crowley?»
«Nein, niemandem. Du bist der Erste, dem ich davon erzähle. Aber da ist noch etwas. Carl, der für Pat arbeitet, hat Peter am Tag der Entführung in einem Motel der Stadt gesehen. Ich glaube, dass Peter mit Lizzy zusammen war … und dass die beiden vielleicht Ernie bei sich hatten.»
«Mit seiner
Schwester
Lizzy? Ich dachte, die wäre weggelaufen oder entführt worden oder so, als ihr noch Kinder wart?»
Rhonda nickte. «Ich glaube, sie ist zurückgekommen.»
«Aber warum sollten die beiden Ernie entführen?»
Rhonda stieß frustriert die Luft aus.
«Ich weiß es nicht. Das alles ergibt nicht den geringsten Sinn. Aber es gibt eine Möglichkeit, es herauszufinden. Und diesmal bin ich bereit für die
echte
Wahrheit. Ich sage ihm einfach, dass ich mit meinem Wissen direkt zu Crowley gehe, wenn er mir keinen reinen Wein einschenkt.» Sie stand unsicher auf, und als sie sich am Tisch festhalten wollte, kippten fast die Gläser um.
«Achtung, Cowgirl», sagte Warren und stützte sie, indem er den Arm um sie legte. «Ich glaube nicht, dass du jetzt in der richtigen Form für eine Auseinandersetzung bist. Das hat bis morgen Zeit. Ich komme mit. Wir gehen der Sache auf den Grund, das verspreche ich dir. Aber jetzt bringe ich dich erst einmal nach Hause.»
Rhonda trank normalerweise nicht viel. Nach dem Bier fühlte sie sich mutig und leichtsinnig, als könnte sie einfach alles sagen oder unternehmen.
«Ich sollte jetzt gehen», sagte Warren. Aber er blieb in der Tür stehen.
«Warum?», fragte Rhonda.
«Weil du ein bisschen betrunken bist.»
«Ich bin sogar sehr betrunken. Aber ich weiß, was ich tue. Ich möchte, dass du reinkommst.» Sie streckte die Hand nach ihm aus. Er ergriff sie, und sie zog ihn in die Diele und küsste ihn. Sie taumelte rückwärts, wobei sie ihn mitnahm, ohne den Kuss zu unterbrechen. Sie stieß gegen die Wand, und ihr Kopf landete neben dem Bild des sezierten Hasen. Warren machte sich frei.
«Ich muss jetzt los», sagte er, die Stimme ein heiseres Flüstern, während seine Augen zwischen ihrem Gesicht und dem sezierten Hasen hin- und herwanderten.
«Bleib, Warren. Ich möchte wirklich, dass du bleibst.» Sie küsste ihn wieder.
«Ich möchte schon», erklärte er und machte sich erneut frei. «Du weißt gar nicht, wie sehr. Aber …»
«Du hast eine Freundin, stimmt’s?» Diesmal zog Rhonda sich zurück. «Sie wartet in Pennsylvania auf dich?»
«Nein», erwiderte Warren. «Das ist es nicht. Ich habe keine Freundin.»
«Ist es wegen all dem, was ich dir über Peter erzählt habe? Weil in dem Fall …»
«Das ist es nicht.»
«Lass mich raten», sagte Rhonda lächelnd und zog ihn an sich, die Finger in die Gürtelschlaufen seiner Jeans verhakt. «Du bist ein Mönch und hast das Zölibat gelobt.»
Er schüttelte lächelnd den Kopf, während sie ihn durch den Gang ins Schlafzimmer zog.
«Ist es der Altersunterschied? Bin ich schon eine alte Dame für dich?»
«Auf keinen Fall», gab er zurück.
«Erinnerst du dich an das, was du mir gesagt hast … dass nichts ohne Grund geschieht? Vielleicht ist das hier der Grund. Vielleicht war ich deswegen auf dem Parkplatz, als Ernie entführt wurde. Damit ich dich kennenlerne.»
«Rhonda,
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