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Die Insel der verlorenen Kinder

Die Insel der verlorenen Kinder

Titel: Die Insel der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
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sagte Justine.
    «Vielleicht wird es Zeit, die Polizei zu informieren. Eine Vermisstenanzeige aufzugeben oder so. Jetzt, wo Aggie im Krankenhaus ist, muss ihn jemand, verdammt nochmal, aus seinem Versteck holen», sagte Clem.
     
    Durch ihr Schlafzimmerfenster hatte Rhonda einen guten Blick auf Peters Zelt. Sie verbrachte den größten Teil des Nachmittags und Abends damit, auf die grüne Segeltuchtür zu starren und zu hoffen, dass Peter herauskommen würde – wie ein Schmetterling, der aus seiner Puppe schlüpft, verwandelt und schön. Als er sich weigerte, zum Essen ins Haus zu kommen, brachte Justine ihm einen Teller nach draußen.
    «Lass mich ihm den Teller bringen», bat Rhonda.
    «Heute Abend nicht, Schätzchen», wehrte Justine ab.
    Um einundzwanzig Uhr sah Rhonda durch ihr Fenster, dass Tack mit ihrem roten Hütchen und ihrem Luftgewehr ankam. Peter öffnete die Zeltklappe, um sie hereinzulassen. Als Tack das Zelt eine Stunde später verließ, hatte sie das Gewehr nicht mehr bei sich.
    «Sie hat ihm ihr Gewehr gegeben», sagte Rhonda zu Lizzy, die mit geschlossenen Augen im Bett lag und tat, als ob sie schliefe. Rhonda sah genau, dass sie sich nur schlafend stellte.
    «Ist das zu glauben? Sie hat ihm ihr Gewehr gegeben!»
    Lizzy stöhnte einfach nur auf und wälzte sich auf die andere Seite.
     
    Rhonda wachte mitten in der Nacht auf und stellte fest, dass ihre Matratze und ihr Bettlaken klatschnass waren. Sie rüttelte Lizzy wach.
    «Hast du etwa ins Bett gepinkelt», fragte Rhonda sie bestürzt. Aber eine andere Erklärung für den warmen, stinkenden Urin, von dem sie beide durchnässt waren, gab es nicht.
    Lizzy erwiderte nichts. Sie wirkte weder beschämt noch verlegen. Ihr Gesicht war so leer wie das einer Schlafwandlerin.
    «Also, das ist doch unglaublich», murmelte Rhonda und machte das Licht an. «Na gut, machen wir die Sauerei eben weg.»
    Lizzy stand bewegungslos in einer Ecke und sah zu, wie Rhonda das Bett abzog.
    «Zieh dein Nachthemd aus!», verlangte Rhonda.
    Lizzy aber rührte sich nicht.
    «Was ist los mit dir?», schrie Rhonda. «Zieh dein Nachthemd aus!» Sie warf Lizzy eines ihrer eigenen frischen Nachthemden zu, doch ihre Freundin blieb einfach wie erstarrt stehen.
    «Steh doch nicht einfach so rum!», brüllte Rhonda. «Tu was! Sag was! Mach einfach den Mund auf und rede!»
    Es klopfte an der Zimmertür, und Justine streckte den Kopf herein. «Was ist los?»
    «Lizzy hat ins Bett gemacht und zieht kein frisches Nachthemd an!»
    Justine betrachtete die Matratze und die feuchten Bettlaken auf dem Boden, ging dann zu Lizzy und legte den Arm um sie.
    «Komm, Herzchen. Jetzt nimmst du erst mal ein heißes Bad.» Sie führte Lizzy durch die Diele ins Badezimmer. Rhonda hörte, wie Wasser eingelassen wurde und ihre Mutter mit sanfter Stimme leise sprach.
    Justine kehrte mit Lizzys nassem Nachthemd zurück und hob auch die Bettlaken und Rhondas Schlafanzug vom Boden auf.
    «Was ist denn mit Lizzy los?», fragte Rhonda.
    «Du musst ein bisschen behutsamer mit ihr umgehen, Ronnie.»
    «Dass sie nicht redet, daran hab ich mich ja allmählich gewöhnt, aber jetzt steht sie einfach da wie eine verdammte Statue   …»
    «Rhonda, Lizzy war diejenige, die heute Aggie gefunden hat.»
    «Oh.» Das Wort fühlte sich in Rhondas Mund klein und rund an.
    «Sie hat eine Menge durchgemacht», sagte Justine. «Viel mehr, glaube ich, als irgendeiner weiß.»
    Rhonda biss sich auf die Lippe. «Wird sie denn je wieder reden?»
    Justine nickte. «Ganz bestimmt. Wenn sie so weit ist. Aber wenn man sie deswegen bedrängt und viel Theater darum macht, wird es davon nicht besser. Wir müssen einfach Geduld haben.»

s?
    25.   Juni 2006
    «Rhonda, hier ist Peter.»
    Seit dem Abend, als sie die Polizei zu ihm geschickt hatte, um Ernie zu suchen, hatte sie nicht mehr mit ihm gesprochen. Sie wusste nicht, wie sie sich bei ihm entschuldigen sollte. Dabei hatte sie immer noch schrecklich viele Fragen – zum Beispiel, mit wem er im
Inn and Out Motel
gewesen war und warum er deswegen gelogen hatte.
    «Ich wollte dich schon anrufen», sagte sie. «Das alles tut mir schrecklich leid, und ich   …»
    «Ronnie», unterbrach er sie, «gestern Abend hat die Polizei eine Leiche gefunden.»
    Rhonda schloss die Augen. Endlich war es vorbei. Seit Warrens und Pats Verhaftung suchte die Polizei die Wälder um den Nickel Lake nach Ernies Leiche ab. Rhonda hatte alle Nachrichtensendungen zu der vermasselten Entführung sorgfältig

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