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Die Insel der Witwen

Die Insel der Witwen

Titel: Die Insel der Witwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Fohl
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Auktionator, »was zahlt ihr für dieses wundervolle Schiff, das leicht zu reparieren ist?«
    Die Männer schwiegen.
    »Wer bietet zweitausend Reichstaler?«
    Lorenzen schüttelte den Kopf. »Hält er uns für Kinder? Das Schiff taugt nur als Brennholz!«
    Sie hatte eine Pfanne ausgewählt. Sie tat so, als würde sie sie einem der Mädchen auf den Kopf schlagen. Das Mädchen lief weg. Sie verfolgte sie mit der Pfanne. Sie lachten. Dann gingen sie zurück. Hand in Hand.
    »Fünfzig Taler. Zum Ersten, zum Zweiten, zuuum Dritten.«
    Die Menschen hievten ihre Güter auf Handkarren und Pferdewagen. Der Platz leerte sich.
    »Komm doch noch mit zu mir auf’n Lütten.« Lorenzen klang übertrieben munter.
    »Ja, danke«, sagte Andreas Hartmann abwesend.
    Sie drehte sich um. Sie blickte ihn an. Er konnte seine Augen nicht von ihr wenden.
    »Na, Herr Ingenieur, was ist, gehen wir?«
    »Nein, lieber doch nicht.«
    »Kommt nicht infrage, das gehört sich bei uns auf der Insel so. Also, keine Widerrede.«
    Keike spürte, wie er sie beobachtete. Sie hielt ihre Pfanne. Ihre Hand verkrampfte sich dabei. Sie war ganz weiß vom Pressen. Sie starrte auf die Pfanne, ihre Hand, die Pfanne.
    »Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten!«, schrie der Auktionator.
    Sie drehte ihren Kopf zu ihm. Ihre Blicke verschmolzen miteinander. Eine Kette von glänzenden Perlen spannte sich über den Platz, von Auge zu Auge. Die Perlen drehten sich im Wind.
    Göntje hüpfte in den Karren. »Hü!«, rief sie.
    Keike zog die Kleine nach Hause.
     

DRITTE WELLE

     

1
    Andreas Hartmann atmete auf. Ein schöner Tag. Der Himmel war leuchtend blau. Keine Wolke zeigte sich. Die Sonne blinkte ihm entgegen. Hell und klar zeichneten sich die Konturen der Dünen ab. Die Sonne hatte den Sand getrocknet. Er erschien ihm fast weiß. Auf den Hügeln glänzten hellgelbe Dünenhalme, die im Wind tänzelten. Um die Heidebüsche herum leuchtete das Moos in frischem Grün. Sogleich zog er die Jacke über. Seine trüben Gedanken waren verflogen. Groth war aufs Festland gefahren. Er würde sicher bald einen neuen Trupp zusammengestellt haben. Vielleicht erhielt er schon morgen Nachricht. Beschwingt lief er in Richtung Meer. Er freute sich des Sonnenscheins, der seine wärmenden Strahlen auf ihn richtete. Frühling, es könnte der Durchbruch des Frühlings sein. Diese Insel schien zwei Gesichter zu haben. Das sonnige gefiel ihm ausnehmend gut. Die Dünen, der Strand, das Meer erhielten einen Glanz, der das Gemüt aufhellte. Er schritt forsch aus, blickte in die Weite, sog die frische Luft ein. Dabei stolperte er über einen harten Gegenstand. Aus dem Sand ragte eine Schuhspitze hervor. Er zog daran. Ein Stiefel kam zum Vorschein. Andreas Hartmann schmunzelte. Es war das Gegenstück des Stiefels, der in seiner Kammer stand. Hier war die Keike also gelaufen. Er schüttelte den Sand aus dem Schaft. Mit dem Sand fiel auch das Moos zu Boden. Der Wind blies es über den Sand. Er verfolgte das rollende Bällchen, bis es in einem windgeschützten Winkel liegen blieb. Den Stiefel in der Hand schlenderte er zum Meer. Das Blau des Himmels spiegelte sich auf der Wasseroberfläche und ließ die trübe Nordsee türkisblau leuchten. Einige Möwen bildeten schneeweiße Punkte auf dem Wasser. Sie putzten ihr Gefieder. Die weißen Wellenkämme der Brandung leuchteten. Er warf den Stiefel in die Höhe, fing ihn wieder auf. Der Moosstiefel der gemeingefährlichen Krabbenfrau. Er lachte, klemmte den Stiefel unter den Arm und kehrte zur Baustelle zurück. Er freute sich auf den Gottesdienst am Sonntag.
     
    H
     
    Er war rechtzeitig gekommen. Von der Kirchenempore aus hatte er eine gute Sicht auf die Frauen. Dennoch konnte er Keike nicht ausmachen. Weder im Gang, noch in den Kirchenbänken. Den ganzen Kirchenraum suchte er nach ihr ab. Vergebens.
    Der Gottesdienst begann. Andreas Hartmann suchte immer noch die Bankreihen ab, blickte auf den Block der schwarzen Hauben. In diesem Moment zeigte sich ein heller Punkt, ein Gesicht, das verstohlen auf die Empore gerichtet war. Keike. Ihre Augen funkelten ihn an. Ein Blitzstrahl erfasste ihn. Am liebsten wäre er heruntergeeilt, um Keike zu küssen. Sie, sie … was geschah mit ihm? Welcher Zauber umgarnte ihn? Sein Herz raste.
    »Lasst uns beten«, sagte der Pastor.
    Andreas Hartmann betete: Gott Vater, lass sie noch einmal zu mir aufschauen.
     
    Keike hatte das Essen vorbereitet und den Boden mit Sand bestreut. Sie wischte Göntje ein wenig Schlaf aus

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