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Die Insel des Mondes

Die Insel des Mondes

Titel: Die Insel des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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schaukelte sie Nirina in den Schlaf und konnte es kaum erwarten, endlich den letzten Teil des Briefes zu lesen.
    Ambalava, am Morgen des 12. August 1 85 6
    Meine geliebte Florence,
    las Paula und überflog alles bis zu dem Absatz, an dem sie von Morten unterbrochen worden war.
    Eine optische Täuschung, da war ich sicher, meine Fantasie ver lieh meiner Freude über die Entdeckung dieser Pflanze Flügel, gaukelte mir das vor. Ich fasste die Erde an, wollte sie zerkrümeln, aber es gelang mir nicht. Zwischen meinen Fingern blieben feste, goldene Tröpfchen. Ich grub neben der Pflanze in der Erde. Und wieder fand ich goldene Teilchen, die wie blinkende Sonnenperlen zum Vorschein kamen.
    Meine liebe Florence, auf der Suche nach dem perfekten Duft hatte Deine Mutter Gold gefunden.
    Das war die Stelle. Paula war unglaublich gespannt, was dann weiter geschehen war.
    Ich kann Dir nicht sagen, wie lange ich im Morast gehockt und nachgedacht habe. Dieses Gold war ein Geschenk, ein Geschenk, das nicht in falsche Hände gelangen durfte. Ganz vorsichtig veränderte ich meine Position und grub neben der Pflanze in der Erde, wühlte im Schlamm, und wieder entdeckte ich Goldklümpchen, manche nur so groß wie Reiskörner, andere so groß wie Linsen oder Pflaumenkerne. Und einige wenige erreichten sogar die Größe von Walnüssen. Ich sammelte alles, was ich finden konnte, in ein Tuch und versteckte es in meinem Beutel. Die ausgegrabene Pflanze nahm ich auch mit und pflanzte sie zu Hause auf das Feld, und ich prägte mir gut ein, wo ich die Pflanze gefunden hatte.
    Dann wog ich meinen Fund auf der Blütenwaage, es waren zweihundert Gramm reines Gold. Unfassbar, was für ein Geschenk! Ich deutete es als Hinweis darauf, dass dieses Gold uns bei der Herstellung von Vanille d’Or unterstützen sollte. Es würde Edmond und mir eine glänzende Zukunft ermöglichen.
    Ich bin dann noch einige Male in meine grüne Kathedrale gegangen und habe jedes Mal wieder Goldklümpchen gefunden, und mir wurde klar, dass ich Dich, meine Tochter, daran teilha ben lassen sollte. So viel Gold durfte nicht nur Edmond und mir allein gehören. Aber ich musste vorsichtig sein, meine Spaziergänge wurden beobachtet, und obwohl ich hier mit keiner Menschenseele über meine Goldfunde geredet hatte, wusste ich, dass ich aufhören musste, dort nach Gold zu suchen, ich durfte mein Projekt nicht aus den Augen verlieren, das war wichtiger. Mein Parfüm sollte Edmond weltweit vor der Vergessenheit bewahren und unserer Liebe ein Denkmal setzen. Gold gibt es überall auf der Welt, unser Parfüm aber würde einzigartig sein. Außerdem fürchtete ich mich davor, wegen des Goldes in Schwierigkeiten zu kommen, deshalb nutzte ich die Bräuche dieses Landes und versteckte mein Rezept, das Gold und die Beschreibung des Fundortes in einer Van Houten-Blechdose, dort, wo niemand danach suchen wird.
    Mein Plan war, dass ich mich zunächst auf die Herstellung von Vanille d’Or konzentrieren würde und ich dann dank einem Teil des Goldes das Parfüm in großen Mengen herstellen und vertreiben könnte. Der andere Teil sollte von Anfang an Dir gehören. Nur für den Fall, dass mir wirklich etwas zustoßen sollte, verrate ich Dir, wo ich das Rezept zusammen mit dem Gold versteckt habe. Und ich flehe Dich an, wenn Du das lesen solltest, bevor ich meinen Plan zu Ende führen konnte, nimm das Gold und vollende, womit ich begonnen habe.
    Pater Antonius steht neben mir und wartet ungeduldig, natürlich ist er zu höflich, um mich zu drängen, doch mir bleibt keine Wahl. Den Einband meines Buches habe ich schon gestern Abend aufgeweicht und den Leim angerührt. Jetzt werde ich den Brief beenden und muss mich von Dir verabschieden. Ich bitte um Vergebung für alles, was ich Deiner Seele an Schaden zugefügt habe, hoffe aber doch auf ein Wiedersehen.
    Deine Mutter Mathilde
    Und wo waren das Rezept und das Gold versteckt? Paula betrachtete den Rest des Briefes. Es war ein Lied von Hoffmann von Fallersleben mit Noten.

    Ihre Großmutter hatte offensichtlich Sinn für Humor gehabt. Ein Lied über den Kuckuck? In so einem Brief? Paula lächelte, als sie daran dachte, wie ihre Mutter darauf reagiert hätte, denn die hatte dieses Lied nie gemocht. Ein Vogel, der anderen seine Eier unterschob, um sie auszunutzen, war ihr zuwider, und sie hatte ihnen verboten, dieses Lied zu singen. Erlaubt war nur »Alle Vögel sind schon da«. Warum also dieses Lied und warum mit Noten? Jeder kannte es doch, niemand

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