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Die Insel des Mondes

Die Insel des Mondes

Titel: Die Insel des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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brauchte die Noten dazu.
    Sie faltete den Brief zusammen und wickelte ihn in das Wachspapier, das, anders als die Ledertasche, in der Hitze schon getrocknet war.
    Plötzlich stand Noria kopfschüttelnd mit einem Eimer Wasser vor ihr, offensichtlich hatte sie sie schon mehrfach angesprochen, aber Paula hatte nichts gehört, weil in ihrem Kopf die vielen Neuigkeiten aus dem Brief laut durcheinander summten, unruhig wie Bienen, die sich angegriffen fühlten.
    »Das hier ist frisches Wasser aus dem Brunnen, falls Sie sich waschen möchten. Und das hier ist auch für Sie.«
    Noria reichte ihr mehrere fleischige Aloe vera-Blätter. »Für Ihre Nase. Wenn Sie wollen, nehme ich Nirina solange. Ich glaube, er braucht etwas zu essen.«
    Paula bedankte sich und reichte ihr den Kleinen, sie musste in Ruhe nachdenken. Edmond. Sie war sicher, dass ihr dieser Name erst kürzlich schon einmal untergekommen war. Edmond, ein Name mit »E«, wie Eduard von Wagenbach. Plötzlich wusste sie es wieder. Edmond war der Name auf dem Brief in Lázlós Sachen gewesen, der jetzt verschwunden war. Aber was hatte Lázló mit ihm zu schaffen gehabt?
    Nachdem Noria gegangen war, zerquetschte Paula die Aloe vera und betupfte ihre Nase damit, dann machte sie sich für das Dorffest fertig, während sie darüber grübelte, was das alles zu bedeuten hatte.

39
    Tolubalsam
    Dieses geschätzte, harzig balsamische Produkt wird von Myroxylon toluiferum kth., einem mächtigen Baume, der in den Gebirgen von Turbaco, Tolu und auf den Hügeln und Ufern des mächtigen Magdalenenstroms heimisch ist, gewonnen. Der Tolubalsam riecht lieblicher, aber schwächer als Perubalsam.
    D ie Müdigkeit legte sich über Paula wie ein Nebel,
durch den das turbulente Dorffest kaum zu ihr durchdrang. Für sie dauerte es qualvoll lange, viel zu lange, auch wenn sie umhegt wurde wie ein Königin, was sie in einem wacheren Zustand sicher amüsiert hätte. Villeneuve und sie wurden als Paar behandelt, das lebend aus dem Fluss der Ahnen gestiegen war. Man setzte sie nebeneinander auf reich verzierte, geschnitzte Holzhocker. Nirina, den Paula um ihre Brust gebunden hatte, wurde mit der Begründung, dass er nicht im Fluss geschwommen war, an Noria weitergereicht.
    Dann bemalten zwei sehr junge Madagassinnen Paulas Gesicht mit einer gelben Paste, und als Paula wissen wollte, um was es sich dabei handelte, wurde sie wieder schmerzlich daran erinnert, wie tot ihre Nase war, denn die beiden benutzten eine Sandelholzpaste, von der sie nicht das Mindeste riechen konnte. Ketzerisch fragte sie sich, ob die Krokodile ihr wohl den Geruchssinn wieder zurückgeben würden, wenn sie noch einmal in den Fluss spränge. Sie ließ die Prozedur geduldig über sich ergehen, und ihre Reisegefährten fanden, ihr stünden die feinen Blumenmuster aus kleinen Pünktchen ganz ausgezeichnet.
    Sobald Paula fertig bemalt war, servierte man ihnen Tsakitsaky, gefolgt von verschiedenen Reisköstlichkeiten und Früchten.
    Danach defilierte das ganze Dorf an ihnen vorüber, und obwohl sie doch beide lebend aus dem Fluss gestiegen waren, wollten alle nur Paula anfassen, was sie mit zwiespältigen Gefühlen erfüllte. Einerseits rührte es sie, andererseits erschien es ihr wie Betrug, denn sie hatte ja nicht wirklich etwas Herausragendes getan, sondern einfach nur Glück gehabt. Die fröhliche Musik aus Flöten und Trommeln, die sie zuerst trotz ihrer Benommenheit noch wach gehalten hatte, begann mehr und mehr, einschläfernd auf sie zu wirken, und sie sehnte sich nur noch danach, sich auf ihrer Matte auszustrecken. Doch nachdem der Letzte aus dem Dorf Paula berührt hatte, wurde Reisschnaps serviert, und Noria machte ihr klar, dass es eine ungeheure Beleidigung wäre, wenn sie ginge, bevor sie von diesem kostbaren Göttergetränk mit großer Begeisterung getrunken hätte. Weil Paula nichts riechen konnte, hatte das ganze Festessen für sie gleich fade geschmeckt, das Brennen des Schnapses auf ihrer Zunge aber spürte und tröstete sie. Wenigstens fühle ich etwas, dachte sie und prostete dem Dorfältesten und seinen Frauen ein ums andere Mal zu, dann Villeneuve, Morten und Noria.
    Der Schnaps stieg Paula schnell zu Kopf und verdichtete den Nebel, der sie umgab, noch mehr, aber er wurde fröhlicher, bunter. Sie lachte über alles, was Morten ihr erzählte, fand Villeneuve von Minute zu Minute lustiger, ja, sogar Noria schien ihr ein Ausbund an Heiterkeit zu sein.
    Als sie am nächsten Morgen aufwachte, hackte ein Messer

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