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Die Insel des Mondes

Die Insel des Mondes

Titel: Die Insel des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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schaukelte, was dem Kleinen große Freude zu machen schien, denn er quietschte fröhlich vor sich hin. »Sie haben alle Christen gezwungen, über die Klippen zu springen.«
    Paula hatte erwartet, dass ein Missionar angesichts solcher Gräueltaten heftig reagieren und zumindest erbleichen würde, aber Morten ging nicht darauf ein.
    Villeneuve trat näher zu ihr. »Das tut mir sehr leid für Sie und für Ihre Großmutter. Aber es ist nun schon viele Jahre her. Madame Kellermann, Sie sollten sich weniger mit Ihrer Vergangenheit befassen und sich mehr mit dem Hier und Jetzt beschäftigen.«
    »Ich werde die Pläne meiner Großmutter zu Ende bringen.« Paula war glücklich darüber, wie richtig sich das in ihrem Bauch anfühlte.
    Noria drehte sich mit Nirina im Kreis herum und entfernte sich dadurch mehr und mehr von ihnen, und Paula blieb mit Villeneuve und Morten allein.
    »Und was sind das für Pläne?«, fragte Villeneuve.
    »Sie haben doch alle Mathildes Brief gelesen, dann wissen Sie doch Bescheid.«
    »Da irren Sie sich.« Villeneuve schob seine Unterlippe vor, und auch Morten runzelte die Stirn und gab sich Mühe, gekränkt auszusehen.
    Paula überlegte kurz, ob sie darauf eingehen sollte, aber wozu? »Meine Großmutter wollte ein ganz besonderes Par füm kreieren, zu Ehren ihrer großen Liebe Edmond, dem die Menschen hier zu verdanken haben, dass die Vanille wachsen kann.« Paula kam richtig in Fahrt, weil sie nun selbst immer besser verstand, wie alles zusammenhing. »Sie wollte ihre Liebe so für alle spürbar machen, wollte der Welt zeigen: Ja, es ist möglich, und auch für euch ist es möglich, hüllt euch ein in diesen Duft und liebt!«
    »Das ehrt Sie, Madame Kellermann, aber ein Parfüm, ich bitte Sie. Gibt es nichts Wichtigeres auf der Welt?« Villeneuve wirkte enttäuscht. »Wollen Sie Ihre Energien nicht lieber für etwas einsetzen, das Menschenleben retten kann?«
    »Das können Sie tun, Villeneuve, aber ich habe andere Pläne. Was wäre denn die Welt ohne Duft? Was bliebe vom Regen an einem heißen Sommertag, was bliebe von dem Kuss auf das flaumige Haar eines Neugeborenen, was bliebe von dem Geruch der Liebe nach einer leidenschaftlichen Nacht?« Paula hätte gern weitergesprochen, aber Morten unterbrach sie rüde.
    »Villeneuve hat recht, meine Liebe, Parfüm ist etwas lächerlich Vergängliches, so flüchtig wie ein Wimpernschlag.«
    »Entschuldigen Sie, Morten, aber das ist vollkommen falsch. Ja, ein Duft kann so flüchtig sein wie ein Windhauch, aber ein Parfüm versucht doch gerade dieses spezielle Gefühl zu bewahren, zu rekonstruieren und wiederherzustellen.«
    »Und wie wollen Sie ein Parfüm herstellen, wenn Sie gar nichts riechen können?« Morten lächelte sie an, als wäre sie eine höchst minderbemittelte Schülerin.
    »Beethoven war taub, als er die 9. Sinfonie komponierte«, gab Paula zurück und war verblüfft über ihre ungewohnte Schlagfertigkeit.
    »Für all das braucht man jedenfalls Geld, deshalb sollten wir erst einmal das Gold Ihrer Großmutter finden. Denn darum geht es ja wohl in Wirklichkeit, oder? Das Gefasel von Duft und Parfüm ist doch nur kosmetisches Drumherum, oder?«
    Das verschlug Paula die Sprache. Hatte Morten denn nicht zugehört, hatte er denn nichts begriffen?
    Nirina begann zu weinen, und Noria kam mit ihm wieder zurück und reichte ihn Paula, was ihr eine Denkpause verschaffte. Wie konnte Morten so tun, als hätte er den Brief nicht gelesen, und dann aber von Mathildes Gold reden?
    »Wir brauchen erst einmal alle etwas zu essen«, sagte sie und bereitete dann zusammen mit Noria Feuer und Essen, während die Männer die Zelte aufbauten.
    Nachdem sie schweigend gegessen hatten, setzte sich Paula mit Nirina auf dem Schoß vor ihr Zelt und studierte wieder den Brief ihrer Großmutter. Was sollte dieses Lied vom Kuckuck, und warum hatte sie sich die Mühe gemacht, die Noten dazu aufzumalen, wo doch jeder die Melodie kannte? Wenn das Lied ein Hinweis auf den Ort sein sollte, dann würde sie ihn nie finden. Hier gab es so viel Wald. Möglich wäre natürlich, dass es einen besonderen Platz auf Madagaskar gab, an dem sich Kuckucke aufhielten. Oder sollte das vielleicht der Hinweis auf einen Ort sein, wo man ein X für ein U ausgab?
    Paula starrte auf die Noten, dann wieder in den Himmel. Ihre Nase war mittlerweile etwas abgeschwollen, aber sooft sie sich auch etwas unter die Nase hielt, sie roch nichts. Das muss nur ausheilen, so schlimm verletzt war doch deine Nase

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