Die Insel des Schreckens
Schwert drehte sich in der Luft, stieß einen klagenden Ton aus und bohrte sich mit der Spitze zuerst in die Planken der Kurnis. Zitternd blieb es stecken.
Genau so war es gewesen, er erinnerte sich wieder deutlich. Das Meer der Spinnen hatte ihm nicht die Waffe geraubt. Vorsichtig, ständig darauf bedacht, nicht den Halt zu verlieren, arbeitete sich Mythor durch die rutschige, grünliche Schleimmasse, die inzwischen das gesamte Oberdeck des Schiffes bedeckte. Er arbeitete sich vor bis zum Mast, der ebenfalls dick mit der zähen, stinkenden Masse beklebt war.
Er würde sich erst dann sicher fühlen, wenn die Waffe wieder in seinem Gürtel steckte.
Eine erneute Windbö packte das Schiff und riss den Bug herum. Eine Welle spritzte schaumiges blutrotes Wasser über das Deck. Mythor verlor den Halt. Er rutschte mehrere Schritt durch die schleimige Masse. Im letzten Augenblick gelang es ihm, das Ende eines Taus zu fassen, das einmal das Segel getragen hatte. Er klammerte sich daran fest und zog sich zum Mast. Er fand leicht die Stelle, an der sich die Klinge in das Holz gebohrt hatte, aber die Waffe blieb verschwunden.
Eine furchtbare Verzweiflung zog sein Herz zusammen. War Alton doch verloren? Hatte die Welle die Klinge über Bord gespült? Müdigkeit und Mutlosigkeit krochen in seine Seele. Sollte alles umsonst gewesen sein?
»Mythor! Was sollen wir tun?«
Die verzweifelten Rufe Kalathees rissen ihn aus seinen dumpfen Gedanken hoch. Er hob den Kopf und blickte zu seinen Gefährten hinüber.
Kalathee stand neben dem Ruder und versuchte ihren Kopf vor dem grünen Schleim zu schützen, der immer heftiger auf die Kurnis und die Besatzung niederfloß. Eine Hand hielt sie vor Mund und Nase, um den bestialischen Gestank, der fast die Atemwege lähmte, zu mildern.
Nottr lehnte am Heck an der Reling. Seine Arme hingen schlaff herunter. Fassungslos starrte er auf das seltsame Schauspiel, das sich ihm bot. Sein zerfurchtes Gesicht war vollkommen mit Schleim bedeckt. Zäh tropfte er von seinem Kinn.
Der Steinmann hockte zusammengekauert neben einem aufgerollten Seil auf dem Boden. Er hatte beide Hände über den gesenkten Kopf erhoben und gefaltet. Seine Lippen bewegten sich. Beschwörend murmelte er vor sich hin.
»Wo ist Alton?« rief Mythor ihnen zu und versuchte das Tosen des Sturms zu übertönen.
Die Gefährten wandten ihm ihre Gesichter zu und blickten ihn an. Sie hatten seine Stimme gehört, aber die Worte nicht verstehen können.
»Das Schwert!« wiederholte Mythor noch einmal und legte eine Hand an den Mund. »Was ist mit meinem Schwert geschehen?«
Nottr verstand und reagierte als erster. »Wir werden es suchen!« brüllte er. Seine Stimme dröhnte über die Kurnis.
Sadagar hob resignierend die Schultern. »Was soll euch eine Waffe noch nützen?«
Vorsichtig arbeitete sich der Lorvaner über das rutschige Deck vor. Mit ausgestreckten Armen versuchte er das Gleichgewicht zu halten. Ein Schlingern des Schiffes jedoch warf ihn um. Mit einem fürchterlichen Fluch auf den Lippen fiel er in den Schleim. Sofort bedeckte ihn schwerer grünlicher Nebel. Mühsam zog er sich wieder hoch und wischte sich über das Gesicht. Aber die gallertartige Masse ließ sich nicht abstreifen.
Mythor löste sich vom Mast, stieß sich ab und glitt auf den Rand des Schiffes zu. Wenn die Welle das Schwert losgerissen hatte, war es vielleicht gegen die Reling gespült worden. Nur dort konnte er es finden.
Ein grässlicher Schrei Kalathees ließ ihn herumfahren. Die Frau stand starr und hatte die Augen weit aufgerissen. Sie krallte beide Hände in ihre bleichen Wangen. Sie versuchte etwas abzustreifen. Immer wieder und immer verzweifelter fuhren ihre Hände in ihr Gesicht und krampften sich zusammen. »Wie Feuer!« schrie sie. »Es brennt wie Feuer!«
Auch Nottr hatte den schrecklichen Schrei gehört. Er blieb stehen und drehte sich nach ihr um. Doch dann schrie auch er auf. Auch seine Hände fuhren zum Kopf. »Verflucht!« brüllte er. Er riss sein Messer aus dem Gürtel und begann in seinem
Gesicht zu schaben. »Was ist das für ein Zeug?«
»Ich habe euch gewarnt«, murmelte Sadagar. »Aber ihr habt mich verspottet.«
Mythor stieß sich ab und glitt auf Kalathee zu. Nur mühsam konnte er sich aufrecht halten.
»Hilf mir, Mythor!« bat die Frau mit leiser Stimme. Tränen liefen über ihre Wangen.
Das Gesicht Kalathees war gerötet. An manchen Stellen klebten gelbliche, daumennagelgroße Stücke. Wie Schnecken bewegten sie
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