Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages
vermacht und nicht diesem Stiesel von Guastalla, und die Pozzos waren seit jeher Vasallen der rechtmäßigen Herren von Monferrat. Ergo wird nach Casale gegangen, und wenn's sein muss, wird dort auch gestorben, bei Gott, man kann doch nicht einem Herrn treu sein, solang alles gutgeht,und ihn dann im Stich lassen, wenn er bis zum Hals in der Scheiße sitzt! Aber freilich, am Leben bleiben ist besser, also Augen auf!«
Der Marsch jener Freiwilligen von der Grenze des Alessandrinischen in das kaum zwanzig Meilen entfernte Casale war gewiss einer der längsten, die die Geschichte kennt. Der alte Pozzo hatte eine an sich exemplarische Überlegung angestellt: »Ich kenne die Spanier«, hatte er gesagt, »das sind Leute, die sich's gerne leichtmachen. Drum werden sie auf Casale durch die Ebene im Süden ziehen, wo man besser mit Karren, Geschützen und anderen Vehikeln durchkommt. Wenn wir also kurz vor Mirabello nach Westen abbiegen und den Weg durch die Hügel nehmen, brauchen wir zwar ein paar Tage länger, aber wir bleiben unbehelligt und sind immer noch vor ihnen da.«
Dummerweise hatte Spinola kompliziertere Vorstellungen von der Art, wie man eine Belagerung vorbereitet. Als er im Südosten von Casale begann, die Ortschaften Valenza und Occimiano besetzen zu lassen, hatte er schon einige Wochen zuvor den Herzog von Lerma, Ottavio Sforza, und den Grafen von Gemburg mit etwa siebentausend Infanteristen in die Hügel westlich der Stadt geschickt mit dem Auftrag, so rasch wie möglich die Kastelle von Rosignano, Pontestura und San Giorgio einzunehmen, um jede mögliche Hilfeleistung seitens der französischen Armee zu unterbinden, derweil in einer Zangenbewegung von Norden her der Gouverneur von Alessandria, Don Geronimo Augustín, mit weiteren fünftausend Mann den Po nach Süden überschritt. Und alle hatten sich längs der Route verteilt, die Pozzo für so prächtig menschenleer hielt. Als er es dann von einigen Bauern erfuhr, konnte der wackere Edelmann seinen Kurs nicht mehr ändern, denn im Osten standen inzwischen ebenso viele Kaiserliche wie im Westen.
So sagte er bloß: »Wir beugen uns nicht. Ich kenne die Gegend besser als sie, wir schlupfen da mittendurch wie die Marder.« Was freilich Beugen oder Biegungen und Umwege in großer Zahl erforderte. Dabei trafen sie sogar auf die Franzosen aus Pontestura, die sich inzwischen ergeben hatten und denen man, vorausgesetzt, dass sie nicht nach Casale zurückgingen, gestattet hatte, sich an die ligurische Küstedurchzuschlagen, um von dort per Schiff nach Frankreich zurückzukehren. Pozzo und seine Leute begegneten ihnen in der Nähe von Otteglia, und beinahe hätten die beiden Trupps das Feuer aufeinander eröffnet, da sie einander wechselseitig für Feinde hielten; von ihrem Kommandanten erfuhr er dann, dass eine der Kapitulationsbedingungen in Pontestura darin bestanden hatte, die dortigen Getreidevorräte an die Spanier zu verkaufen, dass aber diese das Geld an die Casaler geschickt hatten.
»Die Spanier sind noble Herren, mein Sohn«, sagte Pozzo, »und es ist ein Pläsier, gegen sie zu kämpfen. Zum Glück sind wir ja nicht mehr in den Zeiten von Karl dem Großen gegen die Mauren, als die Kriege noch ein einziges Schlägst-du-mich-tot-schlag-ich-dich-tot waren. Dies hier sind Kriege zwischen Christenmenschen, bei Gott! Die andern sind jetzt in Rosignano beschäftigt, wir umgehen sie im Rücken, schlupfen zwischen Rosignano und Pontestura durch und sind in drei Tagen in Casale.«
Das hatte er Ende April gesagt, tatsächlich gelangten sie dann am 24. Mai in Sichtweite von Casale. Es war, zumindest in Robertos Erinnerung, ein schöner langer Marsch gewesen, ständig mussten sie Straßen und Maultierpfade verlassen und querfeldein gehen; sei's drum, sagte Pozzo dann, wenn Krieg ist, geht alles zum Teufel, und wenn nicht wir die Ernte zertreten, zertreten sie eben die andern. Um zu überleben, bedienten sie sich in Weinbergen, Obstgärten und Hühnerhöfen; sei's drum, sagte Pozzo, dies Land ist monferrinisch und muss seine Verteidiger ernähren. Einem Bauern aus Mombello, der protestierte, ließ er dreißig Stockhiebe geben und sagte, wenn man nicht ein bisschen Disziplin halte, würden die andern den Krieg gewinnen.
Roberto fing an, den Krieg eine wunderschöne Erfahrung zu finden; von Wanderern hörten sie erbauliche Geschichten wie die von jenem verwundeten und in San Giorgio gefangengenommenen französischen Kavalier, der sich darüber beklagte, dass ihm von
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