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Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages

Titel: Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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wird von einem tiefen Graben geschützt, und hinter den Mauern haben wir Erdwälle aufgeschüttet, die den Verteidigern gute Dienste leisten werden. Die Zitadelle hat sechzig Kanonen und Bollwerke nach allen Regeln der Kunst. An einigen Stellen sind sie schwach, aber ich habe sie mit Halbmonden undBatterien verstärkt. All das ist bestens geeignet, einem Frontalangriff standzuhalten, aber Spinola ist kein Anfänger: Seht die Bewegungen dort, sie sind dabei, Minengänge zu graben, und wenn sie hier unter uns angelangt sind, wird es sein, als hätten wir ihnen die Tore geöffnet. Um die Arbeiten zu unterbinden, müssten wir ins Freie hinaus, und da sind wir die Schwächeren. Und sobald der Feind jene Geschütze dort etwas näher herangebracht hat, wird er anfangen, die Stadt zu beschießen, und dann kommt die Stimmung der Bürger von Casale ins Spiel, auf die ich mich nicht verlassen möchte. Andererseits kann ich sie schon auch verstehen, ihnen liegt mehr an der Rettung ihrer Stadt als an dem Herrn von Nevers, und sie sind noch keineswegs überzeugt, dass es gut ist, für die Lilien Frankreichs zu sterben. Es wird darauf ankommen, ihnen klarzumachen, dass sie unter den Savoyern oder den Spaniern ihre Freiheit verlieren würden und dass Casale dann keine Hauptstadt mehr wäre, sondern nur noch irgendeine beliebige Festung wie Susa, die Savoyen jederzeit für eine Handvoll Scudi verkaufen würde. Im übrigen müssen wir improvisieren, sonst wär's ja keine commedia all'italiana . Gestern habe ich mit vierhundert Mann einen Ausfall in Richtung Frassineto gemacht, wo sich die Kaiserlichen zusammenzogen, und da sind sie zurückgewichen. Aber während ich dort beschäftigt war, haben sich Neapolitaner auf jenem Hügel genau gegenüber festgesetzt. Ich habe sie ein paar Stunden lang von der Artillerie beschießen lassen, und ich glaube, ich habe ein ganz schönes Gemetzel angerichtet, aber sie sind nicht abgezogen. Also sagt mir nun: Wessen Tag war das heute? Ich schwöre bei unserem Herrn im Himmel, ich weiß es nicht, und auch Spinola weiß es nicht. Aber ich weiß, was wir morgen tun werden. Seht Ihr jene frei stehenden Häuser dort in der Ebene? Wenn wir sie kontrollieren würden, könnten wir viele feindliche Stellungen unter Beschuss nehmen. Ein Spion hat mir gesagt, dass sie verlassen seien, und das ist ein guter Grund, zu befürchten, dass sich jemand in ihnen versteckt hält – macht nicht so ein entrüstetes Gesicht, junger Herr Roberto, und merkt Euch, erstes Theorem, dass ein guter Kommandant eine Schlacht nur gewinnt, wenn er sich der Spione gut zu bedienen weiß, und, zweites Theorem, dass ein Spion, da er ein Verräter ist, nichts dabeifindet, diejenigen zu verraten, die ihn dafür bezahlen, dass er die Seinen verrät. In jedem Fall wird unsere Infanterie morgen jene Häuser besetzen. Es ist besser, statt die Truppen in der Stadt zu behalten, wo sie faul werden, sie dem Feuer auszusetzen, was eine gute Übung ist. Scharrt nicht so ungeduldig mit den Füßen, junger Herr Roberto, morgen wird noch nicht Euer Tag sein; doch übermorgen wird das Regiment Bassiani den Po überqueren müssen. Seht Ihr jene Mauern dort? Sie gehören zu einem Fort, das wir zu bauen begonnen hatten, ehe die Spanier kamen. Meine Offiziere sind nicht einverstanden, aber ich glaube, wir werden gut daran tun, es uns wiederzuholen, bevor es die Kaiserlichen besetzen. Es geht darum, sie in der Ebene unter Beschuss zu halten, um sie in ihren Bewegungen zu behindern und den Bau der Minengänge aufzuhalten. Kurzum, dort wird es Ruhm für alle geben. Jetzt gehen wir erst einmal essen. Die Belagerung hat gerade erst begonnen, noch fehlt es uns nicht an Vorräten. Erst später werden wir Ratten verspeisen.«

 
    3
    DAS SERAIL DER ÜBERRASCHUNGEN
     
    D er Belagerung von Casale zu entgehen, wo er am Ende wenigstens keine Ratten hatte verspeisen müssen, um dann auf der Daphne zu landen, wo die Ratten vielleicht ihn verspeisen würden ... Beklommen über diesen schönen Kontrast nachdenkend, machte Roberto sich schließlich auf, jene Räumlichkeiten zu erkunden, aus denen er am Abend zuvor jene unbestimmten Geräusche gehört hatte.
    Er beschloss, vom Achterkastell aus hinunterzusteigen, und er wusste, dass er im Unterdeck, wenn alles wie auf der Amarilli war, ein Dutzend Kanonen an beiden Seiten vorfinden würde, dazwischen die Strohlager oder Hängematten der Matrosen. Aus dem Steuerraum stieg er in den Raum darunter, den schräg die Ruderpinne

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