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Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages

Titel: Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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einem Soldaten das Bildnis einer heißgeliebten Person weggenommen worden war; als der Herzog von Lerma das hörte, ließ er ihm das Bildnis zurückerstatten, ließ ihn verarzten und schickte ihn mit einem Pferd zurück nach Casale. Andererseits war es dem alten Pozzo gelungen,wenn auch auf derart verschlungenen Umwegen, dass man alle Orientierung verlor, dafür zu sorgen, dass seine Leute vom richtigen Schießkrieg noch gar nichts zu sehen bekommen hatten.
    Daher empfanden sie große Erleichterung, wenn auch vermischt mit der Ungeduld dessen, der endlich an einem langerwarteten Fest teilnehmen will, als sie eines schönen Tages vom Gipfel eines Hügels aus zu ihren Füßen die Stadt liegen sahen: im Norden, zu ihrer Linken, begrenzt durch den breiten Streifen des Po, der genau vor dem Kastell durch zwei große Inseln im Strom unterbrochen war und im Osten spitz zulaufend hinter dem Massiv der Zitadelle verschwand. Gespickt mit Türmen und Campanilen im Innern, schien die Stadt von außen wahrhaft uneinnehmbar, ringsum bewehrt mit zickzackförmigen Bastionen, so dass sie aussah wie einer von jenen Drachen, die man in Büchern sieht.
    Es war wirklich ein schönes großes Spektakel. Draußen vor der Stadt schleppten Soldaten in bunten Röcken allerlei Belagerungsmaschinen zwischen Gruppen von standartengeschmückten Zelten und Reitern mit prächtig gefiederten Hüten umher. Da und dort sah man zwischen dem Grün der Wälder und dem Gelb der Felder etwas schimmern und blitzen, dass es die Augen blendete, und es waren Edelleute in silbernen Rüstungen, die in der Sonne funkelten, und man verstand nicht, wohin sie ritten, womöglich ritten sie nur umher, um sich in Szene zu setzen.
    Schön für alle, erschien das Spektakel jedoch dem alten Pozzo weniger fröhlich, denn er sprach: »Leute, diesmal sind wir wirklich im Arsche!« Und zu Roberto, der ihn verwundert fragte, wieso, sagte er mit einem Klaps in den Nacken: »Spiel nicht den Dummen, das da sind Kaiserliche, wirst doch nicht glauben, dass die Casaler so viele sind und sich so munter draußen vor ihren Mauern tummeln. Die Casaler und die Franzosen sind drinnen, wo sie Strohballen aufschichten und sich vor Angst in die Hose machen, weil sie nicht mal zweitausend an der Zahl sind, während die da unten mindestens hunderttausend sein dürften, schau bloß mal auf die Hügel dort drüben.« Er übertrieb, das Heer der Spanier umfasste nur achtzehntausend Fußsoldaten und sechstausend Reiter, aber das genügte, und sie rückten vor.
    »Was machen wir jetzt, Vater?«, fragte Roberto. »Jetzt machen wir«, sagte der Vater, »dass wir achtgeben, wo die Lutheraner sind, denn bei denen kommen wir nicht durch. Erstens, weil wir kein Wort von dem verstehn, was sie sagen, und zweitens, weil sie dich erst umbringen und dann fragen, wer du bist. Achtet gut drauf, wo die Spanier stehen. Ihr habt's ja gehört, das sind Leute, mit denen man reden kann. Und achtet drauf, dass es Spanier aus guten Familien sind. Bei diesen Dingen kömmt alles auf die Erziehung an.«
    Sie erspähten einen Durchgang neben einem Lager mit den Feldzeichen Ihrer Allerchristlichsten Majestäten, wo mehr silberne Rüstungen als anderswo schimmerten, empfahlen sich Gott und ritten hinunter. Im allgemeinen Durcheinander gelang es ihnen, ein gutes Stück mitten zwischen den Feinden vorzudringen, denn Uniformen trugen damals nur einige Sondereinheiten wie die Musketiere, und bei den anderen wusste man nie, wer zu wem gehörte. Endlich aber, als nur noch ein Niemandsland zu überqueren war, trafen sie auf einen Vorposten und wurden von einem Offizier angehalten, der sie höflich fragte, wer sie seien und wohin sie wollten, während hinter ihm eine Handvoll Soldaten auf dem Quivive war.
    »Signore«, sagte der alte Pozzo, »seid so gut, uns den Weg freizugeben, alldieweil wir hingehen müssen, uns an den rechten Ort zu begeben, um sodann auf Euch zu schießen.« Der Offizier zog den Hut, schwenkte ihn zu einem ehrerbietigen Gruß, der den Staub zwei Klafter weit vor ihm aufwirbelte, und sprach: »Señor, no es menor gloria vencer al enemigo con la cortesía en la paz que con armas en la guerra.« Dann sagte er in gutem Italienisch: »Zieht Eures Weges, mein Herr, wenn nur ein Viertel der Unsern die Hälfte Eures Mutes hat, werden wir siegen. Möge der Himmel mir das Vergnügen gewähren, Euch auf dem Felde zu begegnen, und die Ehre, Euch zu töten.«
    »Fisti orb d'an fisti secc« , knurrte Pozzo zwischen den

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