Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages
Zähnen, was in der Sprache seines Landes noch heute eine Wunschformel ist, die in etwa besagt, der Angesprochene möge erst seines Augenlichtes beraubt werden und gleich danach einen Schluckauf bekommen. Laut aber sagte er unter Aufbietung aller seiner Sprachkenntnisse und seines ganzenrhetorischen Wissens: »Yo también!« Zog dann grüßend den Hut, gab seinem Pferd die Sporen, wenn auch nicht so stark, wie es die Theatralik des Augenblicks erfordert hätte, denn seine Leute mussten ihm ja per pedes folgen, und trabte in Richtung der Stadtmauer los.
»Sag, was du willst, aber das sind noble Leute«, knurrte er, zu seinem Sohn gewandt, und es war gut, dass er den Kopf dabei senkte, denn so entging er dem Schuss einer Arkebuse, der von der Mauer auf ihn abgefeuert worden war. »Ne tirez pas, conichons, on est des amis, Nevers, Nevers!«, rief er mit erhobenen Händen, und dann leiser zu Roberto: »Siehst du, das sind Leute, die keine Dankbarkeit kennen. Ich will ja nichts sagen, aber die Spanier sind besser.«
So gelangten sie in die Stadt. Jemand musste ihre Ankunft unverzüglich dem Garnisonskommandanten gemeldet haben, dem Seigneur de Toiras, der ein ehemaliger Waffenbruder des alten Pozzo war. Große Umarmungen, dann ein erster Gang über die Bastionen.
»Lieber Freund«, sagte Toiras, »nach den Pariser Registern habe ich fünf Infanterieregimenter mit je zehn Kompanien, also zusammen zehntausend Mann. Aber Seigneur de la Grange hat nur fünfhundert Mann, Monchat hat zweihundertfünfzig, und alles in allem kann ich auf eintausendsiebenhundert Mann zu Fuß zählen. Dazu habe ich noch sechs Kompanien Leichte Reiter, vierhundert Mann im ganzen, wenn auch gut ausgerüstete. Der Kardinal weiß, dass ich weniger Leute habe, als es sein müssten, aber er behauptet, ich hätte dreitausendachthundert Mann. Ich schreibe und beweise ihm das Gegenteil, aber Seine Eminenz gibt vor, nicht zu verstehen. Ich habe ein Regiment aus Italienern rekrutieren müssen, so gut es ging, Korsen und Monferriner, aber, nehmt's mir nicht übel, es sind schlechte Soldaten, und stellt Euch vor, ich habe den Offizieren befehlen müssen, ihre Burschen in eine eigene Kompanie zu stecken. Eure Leute werden sich dem italienischen Regiment anschließen, unter dem Befehl von Capitano Bassiani, der ein guter Soldat ist. Wir werden auch den jungen Herrn de La Grive dorthin schicken, damit er, wenn er ins Feuer geht, die Befehle auch gut versteht. Was Euch betrifft, lieber Freund, sowerdet Ihr Euch einer Gruppe von tapferen Edelleuten anschließen, die wie Ihr aus freiem Willen zu uns gestoßen sind und meinen Stab bilden. Ihr kennt die Gegend und werdet mich gut beraten können.«
Jean de Saint-Bonnet, Seigneur de Toiras, war ein hochgewachsener, dunkelhaariger und blauäugiger Mann in der vollen Reife seiner fünfundvierzig Jahre, cholerisch, aber großzügig und bereit zur Versöhnung, schroff im Ton, aber alles in allem umgänglich, auch mit den Soldaten. Er hatte sich als Verteidiger der Ile de Ré im Krieg gegen England hervorgetan, aber bei Richelieu und am Hofe genoss er, wie es scheint, keine besondere Sympathie. Die Freunde munkelten etwas von einem Dialog mit dem Siegelbewahrer de Marillac, der verächtlich zu ihm gesagt habe, man hätte zweitausend Edelmänner in Frankreich finden können, die fähig gewesen wären, die Sache mit der Ile de Ré ebenso gut zu erledigen, worauf Toiras erwidert habe, man könne viertausend finden, die fähig wären, das Siegel besser zu bewahren als Monsieur de Marillac. Seine Offiziere schrieben ihm noch einen weiteren schönen Ausspruch zu (der jedoch anderen zufolge von einem schottischen Hauptmann stammte): Während eines Kriegsrats in La Rochelle habe Père Joseph, derselbe, der dann später Richelieus »Graue Eminenz« werden sollte und sich gern als Stratege aufspielte, den Finger auf eine Karte gelegt und gesagt: »Hier setzen wir über«, worauf Toiras kühl erwidert habe: »Ehrwürdiger Vater, leider ist Euer Finger keine Brücke.«
»So ist die Lage, cher ami«, fuhr Toiras fort, während er die Bastionen abschritt und auf die Landschaft deutete. »Die Bühne ist glänzend, und die Akteure sind die Besten aus zwei Reichen und vielen Signorien; wir haben sogar ein florentinisches Regiment vor uns, das von einem Medici kommandiert wird. Wir können auf Casale vertrauen, ich meine Casale als Stadt: Das Kastell, von dem aus wir den Flussabschnitt kontrollieren, ist eine regelrechte Bastille, es
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