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Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages

Titel: Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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gewissen Unverschämtheit erklärte: »Man hat bisher bloß immer über die Leere geredet. Es kommt darauf an, sie durch Experimente zu beweisen.« Und es klang, als sei es an ihm, dies eines Tages zu tun.
    Roberto hatte ihn gefragt, an was für Experimente er dabei denke, und der Junge hatte gesagt, das wisse er noch nicht. Um ihn zu demütigen, hatte Roberto ihm sämtliche philosophischen Einwände vorgehalten, die er kannte: Wenn es die Leere gäbe, wäre sie nicht Materie, denn Materie ist voll, und sie wäre nicht Geist, denn ein leerer Geist ist nicht denkbar, und sie wäre nicht Gott, denn sie hätte nicht einmal sich selbst, sie wäre weder Substanz noch Akzidens, sie wäre lichtdurchlässig, ohne glasig zu sein … Also was wäre sie dann?
    Der Junge hatte mit bescheidener Dreistigkeit geantwortet, ohne die Augen zu heben: »Vielleicht wäre sie etwas auf halbem Wege zwischen der Materie und dem Nichts, ohne an diesem noch an jener zu partizipieren. Sie würde sich vom Nichts durch ihre Dimension unterscheiden und von der Materie durch ihre Reglosigkeit. Sie wäre gewissermaßen ein Nichtsein. Nicht Supposition, nicht Abstraktion. Sie wäre. Sie wäre – wie soll ich sagen? – ein Faktum. Einfach so.«
    »Was ist ein Faktum einfach so, ohne irgendeine Bestimmung?«, hatte Roberto mit scholastischer Aufgeblasenheit gefragt; im übrigen hatte er zu dem Thema keine Vorurteile und wollte nur ebenfalls Klugheiten von sich geben.
    »Ich kann nicht definieren, was einfach so ist«, hatte der junge Mann geantwortet. »Andererseits, mein Herr, wie würdet Ihr das Sein definieren? Um es zu definieren, müsste man sagen, dass es etwas ist. Um also das Sein zu definieren, muss man bereits ist sagen, also in der Definition einen Begriff benutzen, der erst definiert werden muss. Ich glaube, es gibt Begriffe, die sich unmöglich definieren lassen, und vielleicht ist die Leere einer davon. Aber vielleicht irre ich mich.«
    »Ihr irrt Euch nicht. Die Leere ist wie die Zeit«, hatte einer von Robertos freidenkerischen Freunden eingeworfen. »Die Zeit ist nicht die Maßzahl der Bewegung, denn die Bewegung hängt von der Zeit ab und nicht umgekehrt; die Zeit ist unendlich, ungeschaffen, kontinuierlich, sie ist kein Akzidensdes Raumes ... Die Zeit ist einfach, basta. Der Raum ist einfach, basta. Und die Leere ist einfach, basta.«
    Einer der Anwesenden hatte protestiert und gesagt, wenn etwas einfach ist und basta, ohne ein definierbares Wesen zu haben, dann sei es so gut wie nicht vorhanden. »Meine Herren«, hatte daraufhin der Kanonikus von Digne gesagt, »es ist wahr, der Raum und die Zeit sind weder Körper noch Geist, sie sind immateriell, wenn Ihr so wollt, aber das heißt doch nicht, dass sie nicht wirklich wären. Sie sind nicht Akzidens, und sie sind nicht Substanz, und doch waren sie vor der Schöpfung da, vor jeder Substanz und vor jedem Akzidens, und sie werden auch nach der Zerstörung jeder Substanz noch weiterexistieren. Sie sind unzerstörbar und unveränderbar, was immer Ihr auch in sie hineinfüllt.«
    »Aber«, hatte Roberto eingewandt, »der Raum ist doch immerhin ausgedehnt, und Ausdehnung ist eine Eigenschaft der Körper ...«
    »Nein«, hatte der freidenkerische Freund erwidert, »dass alle Körper ausgedehnt sind, bedeutet nicht, dass alles Ausgedehnte Körper ist – wie es jener Herr gern hätte, der sich übrigens nicht herablassen würde, mir zu antworten, denn wie es scheint, will er nicht mehr aus Holland zurückkehren. Ausdehnung ist die Anlage alles dessen, was ist. Der Raum ist absolute Ausdehnung, ewige, unendliche, ungeschaffene, unfaßbare, unbeschreibbare. So wie die Zeit ohne Dämmerung ist, unaufhaltsam, unvertreibbar, ein Vogel Phönix, eine Schlange, die sich in den Schwanz beißt ...«
    »Mein Herr«, hatte der Kanonikus gesagt, »setzen wir aber den Raum nicht an die Stelle Gottes ...«
    »Mein Herr«, hatte der Freidenker erwidert, »Ihr könnt uns nicht Ideen suggerieren, die wir alle für wahr halten, und uns dann verbieten wollen, daraus die letzten Konsequenzen zu ziehen. Ich habe den Verdacht, dass wir an diesem Punkt keinen Bedarf mehr für Gott noch für seine Unendlichkeit haben, denn wir haben schon genug Unendliches allenthalben, das uns zu einem Schatten reduziert, der nur einen Augenblick währt und nie wiederkehrt. Darum schlage ich vor, dass wir nun alle Furcht ablegen und allesamt in die Taverne gehen.«
    Der Kanonikus hatte sich kopfschüttelnd verabschiedet.Und auch

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