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Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages

Titel: Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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er, glaube ich, gerade durch die Nachzeichnung der Geschichte seiner Malaisen Trost für seinen gegenwärtigen Zustand zu finden – als hätte der Schiffbruch ihn nun in jenes irdische Paradies zurückversetzt, das er auf La Griva kennengelernt und von dem er sich entfernt hatte, als er sich in die Mauern der belagerten Stadt begab.
     
    Roberto saß nun nicht mehr in den verlausten Quartieren der Soldaten, sondern am Tisch von Toiras inmitten feiner Herren aus Paris und hörte ihren großsprecherischen Tiraden zu, ihren Erzählungen von anderen Feldzügen, ihrenoberflächlichen und brillanten Reden. Aus diesen Gesprächen gewann er – und das gleich am ersten Abend – den Eindruck, dass die Verteidigung von Casale nicht das Unternehmen war, für das er sich glaubte gerüstet zu haben.
    Er war gekommen, um seine Ritterträume zu leben, die von den auf La Griva gelesenen Dichtungen angeregt worden waren: Edlen Blutes zu sein und endlich eine Waffe an der Seite zu tragen hatte für ihn geheißen, ein Paladin zu werden, der sein Leben in die Schanze schlug für ein Wort seines Königs oder für die Rettung einer Dame. Nach seiner Ankunft erwiesen sich nun jedoch die hehren Scharen, in die er sich eingereiht hatte, als ein zusammengewürfelter Haufen lustloser Bauern, die bereit waren, beim ersten Zusammenstoß wegzulaufen.
    Er war jetzt zwar aufgenommen in eine Runde von Helden, die ihn als ihresgleichen behandelten. Doch er wusste, dass sein Heldentum auf einem Missverständnis beruhte und dass er nur deshalb nicht davongelaufen war, weil er noch mehr Angst als die Davonlaufenden gehabt hatte. Und was noch schlimmer war: Als die Anwesenden am späteren Abend, nachdem Toiras sich zurückgezogen hatte, ihrer Lust an Klatsch und Tratsch freien Lauf ließen, wurde ihm langsam klar, dass die ganze Belagerung selbst nichts anderes war als ein Kapitel in einer sinnlosen Geschichte.
    Also, Don Vincenzo von Mantua war gestorben und hatte das Herzogtum seinem Vetter Nevers vermacht, aber es hätte genügt, dass irgendein anderer es geschafft hätte, als letzter mit ihm zu sprechen, und die ganze Geschichte wäre anders verlaufen. So machte zum Beispiel auch Carlo Emanuele von Savoyen Rechte auf das Monferrat geltend, wegen eines Neffen (sie heirateten alle untereinander), und er hatte sich schon längst jene Markgrafschaft einverleiben wollen, die wie ein Dorn in der Flanke seines Herzogtums stak und nur einige Dutzend Meilen vor Turin endete. Darum hatte ihm Gonzalo de Córdoba, die Ambitionen des Savoyers nutzend, um die der Franzosen zu konterkarieren, gleich nach der Designation des Nevers geraten, sich mit den Spaniern zusammenzutun, um gemeinsam mit ihnen das Monferrat einzunehmen und dann mit ihnen zu teilen. Der Kaiser, der schon genug Ärger mit dem Rest Europas hatte, hatte derInvasion zwar nicht zugestimmt, aber sich auch nicht gegen Nevers ausgesprochen. Da waren Gonzalo und Carlo Emanuele zur Tat geschritten, und einer der beiden hatte damit begonnen, die Ortschaften Alba, Trino und Moncalvo einzunehmen. Gutmütig zwar, aber nicht dumm, hatte der Kaiser daraufhin Mantua unter Zwangsverwaltung gestellt und einen kaiserlichen Verwalter eingesetzt.
    Die damit verordnete Ruhepause musste für alle Prätendenten gelten, aber Richelieu fasste sie als Affront gegen Frankreich auf. Beziehungsweise, es kam ihm gelegen, sie so aufzufassen, doch er unternahm nichts, weil er noch damit beschäftigt war, die Protestanten in La Rochelle zu belagern. Spanien sah jenes Massaker an einer Handvoll Ketzer zwar durchaus mit Wohlgefallen, ließ aber zu, dass Gonzalo es sich zunutze machte, um mit achttausend Mann Casale zu belagern, das nur von etwas mehr als zweihundert Soldaten verteidigt wurde. Und das war die erste Belagerung von Casale.
    Da jedoch der Kaiser keinerlei Bereitschaft zum Einlenken zeigte, witterte Carlo Emanuele Gefahr und nahm – während er weiter mit den Spaniern kollaborierte – insgeheim Kontakte zu Richelieu auf. Inzwischen war La Rochelle gefallen, Richelieu wurde vom Hof in Madrid zu diesem schönen Sieg des rechten Glaubens beglückwünscht, er bedankte sich, holte sein Heer zurück, ließ es im Februar 29 mit Ludwig XIII. an der Spitze über den Montgenèvre marschieren und brachte es vor Susa in Stellung. Carlo Emanuele erkannte, dass er, wenn er weiterhin an zwei Tischen spielte, nicht nur das Monferrat verlieren würde, sondern auch Susa, und so entschloss er sich zu einem Versuch, den Franzosen zu

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